KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)
Bakterien zu erkennen und nach Möglichkeit zu eliminieren. 68 Diese Filter sollen verhindern, dass sich lokale bakterielle Infektionen ausbreiten, ins Blut gelangen und so zur Blutvergiftung, 69 der Sepsis, führen.
Tumorzellen sind wesentlich größer als Bakterien.
Daher bleiben auch sie häufig in diesen Filtern hängen. Da es sich aber um Zellen des eigenen Körpers handelt, werden sie vom Immunsystem oft ignoriert und vermehren sich. Eine Lymphknoten-Metastase entsteht. Bei vielen Krebsformen wie dem Brustkrebs, dem Darmkrebs, den Tumoren der weiblichen Geschlechtsorgane oder Krebserkrankungen der Schleimhäute des Mund- und Rachenbereichs sind Lymphknoten-Metastasen typischerweise die ersten Satelliten des Ursprungstumors. Finden sich Tumorzellen in den unmittelbar dem Tumor benachbartenLymphknotenstationen, lassen sich mit ein wenig Glück die Krebszellen noch einfangen, bevor sie sich endgültig im System des Körpers verteilen können. Daher werden je nach Tumorart und Größe bei einer Operation oft auch die angrenzenden Lymphknotenstationen mit entfernt oder im Rahmen einer Strahlentherapie in das Bestrahlungsfeld eingeschlossen. 70
Bei vielen Arten von Tumoren ist diese Form der Ausbreitung vom Ursprungstumor über die regionären Lymphknoten bis schließlich ins Blut und dann in die Organe die Regel. Aber leider gibt es von dieser Regel viele Ausnahmen. Tumorzellen können auch durch die Kontrollposten des Lymphsystems hindurchschlüpfen und ins Blut gelangen, ohne dass vorher eine Lymphknoten-Metastase entstanden wäre. Sie können auch direkt in kleine Blutgefäße des Tumors einbrechen und von dort aus ohne Umwege über das lymphatische System im Kreislauf verteilt werden. Damit wäre der zweite, hämatogene Weg der Metastasierung beschrieben.
Wovon hängt es ab,
ob und wann ein Tumor Tochtergeschwülste im Körper bildet? Diese Frage ist alles andere als akademisch, sondern eine Frage von Leben und Tod. Die meisten Krebserkrankungen sind nicht mehr heilbar, wenn die Grenze zur Systemerkrankung überschritten ist.
Zunächst einmal steckt hinter dem Risiko der Metastasierung wieder nichts als pure Statistik. Je größer die Zahl der Tumorzellen ist und je länger die Erkrankung besteht, desto größer ist natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Zelle auf Wanderschaft macht und zur Metastase wird. Wenn Lymphknoten bereits manifest befallen sind, dann ist die Gefahr, dass einzelne Tumorzellen auch alle weiteren Filter passiert und sich bereits im Körper ausgebreitet haben, natürlich entsprechend größer, auch wenn keine einzelnen vagabundierenden Tumorzellen zu entdecken sind.
Unabhängig von diesen Faktoren schwankt allerdings das Risiko, Metastasen zu entwickeln, von Krebsart zu Krebsart erheblich. Wichtiger noch als krude Statistik scheint die Biologie der Tumoren zu sein. Die Zellen, die vom Tumor abgelöst werden und durch den Körper wandern, müssen über die zur Bildung von Tochtergeschwülsten notwendige genetische Ausstattung verfügen. Wir haben gesehen, dass diese Fähigkeit von einem ganzen Bündel im Wesentlichen genetisch determinierter Eigenschaften abhängt. Auch die Präferenz der Tumorzelle für den lymphogenen oder den hämatogen Metastasierungsweg hängt von der Biologie des Tumors ab und unterscheidet sich von Tumorart zu Tumorart.
Manche Krebsarten neigen dazu,
sich früh auf die Reise zu machen, andere dagegen verbleiben sehr lange an ihrem Entstehungsort. Die sogenannten kleinzelligen, neuroendokrinen Tumoren, die vor allem in der Lunge entstehen, oder auch die bösartige anaplastische Variante des Schilddrüsenkarzinoms bilden das eine Extrem. Die meisten dieser Tumoren haben sich bereits im Körper ausgebreitet, wenn sie entdeckt werden, auch wenn die Herde oft noch zu klein sind, um mit bildgebenden Verfahren bemerkt zu werden. Auch Karzinome der Bauchspeicheldrüse, der Speiseröhre und die anderen, nichtkleinzelligen Karzinome der Lunge neigen relativ früh zur Metastasierung. Daher sind die langfristigen Heilungschancen dieser Erkrankungen immer noch vergleichsweise schlecht. Häufige Krebsarten wie der Brustkrebs oder der Darmkrebs liegen irgendwo im Mittelfeld, während der häufigste Tumor des Mannes, der Prostatakrebs, oder auch manche langsam wachsende Formen von Tumoren des Bindegewebes das andere Extrem darstellen. Auch die Krebserkrankungen des Gehirns siedeln sich praktisch nie außerhalb des zentralen Nervensystems an.
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