KREBS: Die unsterbliche Krankheit (German Edition)
den ersten Blick grauenhaft schlecht. Ihre Nahrung enthält praktisch kein Obst und Gemüse, dafür sehr viel fettes Robben- und Walfleisch und viele Fische. Trotzdem stellten Kardiologen fest, dass Inuit, die sich traditionell ernähren, selten an Arteriosklerose leiden. Sie haben vergleichsweise wenige Probleme mit Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. Wir kennen die Arteriosklerose dagegen als klassische Zivilisationskrankheit, die durch Bluthochdruck, hohe Blutzuckerspiegel und vor allen durch erhöhte Blutfette wie das Cholesterin verursacht wird.
Die Nahrung der Inuit-Völker ist fettreich. Sie enthält aber einen hohen relativen Anteil an Omega-3-Fettsäuren. Nicht nur Wale und Robben, auch fette Fische wie Makrele, Lachs oder Hering sind reich an solchen Fettsäuren. Diese Moleküle scheinen auch vor Krebs zu schützen. Zumindest lassen klinische Studien vermuten, dass Personen, die mindestens zweimal pro Woche Fische essen, seltener an Darm- oder Brustkrebs erkranken. 73
Auch bestimmte Pflanzenöle wie Walnussöl, Leinöl, Rapsöl oder Olivenöl weisen ein sehr günstiges Verhältnis von Omega-3- zu den schädlichen Omega-6-Fettsäuren auf. Greifen Sie daher öfter mal zum Olivenöl und zu mediterranen Rezepturen.
12. Rotwein
Hippokrates, der Übervater der abendländischen Medizin, ahnte bereits die Ambivalenz mancher Nahrungs- und Genussmittel. Vom Wein sagte er: »Der Wein ist ein Ding, in wunderbarer Weise für den Menschen geeignet, vorausgesetzt, er wird bei guter und schlechter Gesundheit, sinnvoll und im rechten Maße verwendet.«
Sie werden sich vielleicht wundern, dass hier nochmals vom Wein die Rede ist, nachdem wenige Seiten zuvor vor dem Genuss alkoholhaltiger Getränke gewarnt wurde. Aber viele Dinge haben zwei Seiten, und vor allem der Rotwein ist ein Nahrungs- oder Genussmittel mit zwei Gesichtern. Ohne Zweifel: große Mengen Alkohol, sind auf Dauer genossen schädlich, selbst wenn es sich um erstklassige Tropfen aus Bordeaux oder Burgund handelt. Aber wie steht es mit dem Glas Rotwein am Abend?
Wein wurde seit der Antike
als Medikament eingesetzt. Das allein ist sicher kein gutes Argument. Die europäische Medizin hat in den letzten 2000 Jahren bei ihren Versuchen, Krebs zu heilen oder wenigstens zu lindern, von der grauen Eidechse über Schlangenfleisch bis hin zu getrocknetem Kot von Wanderfalken kaum eine Absurdität ausgelassen. 79
Als Student hatte ich das Vergnügen, meinen Kurs in pathologischer Anatomie bei einer in mehrfacher Hinsicht eindrucksvollen Professorin absolvieren zu dürfen. Wenn sie sich frühmorgens im grüngekachelten Hörsaal des Pathologischen Instituts der Tübinger Universität über die Organe eines Verstorbenen beugte, kam es vor, dass sie unsere Aufmerksamkeit auf seine Blutgefäße lenkte. Eines Morgens lagen vor uns die sterblichen Überreste einesMannes, der im Alter von 95 Jahren gestorben war. Trotz dieses biblischen Alters wiesen seine Herzkranzgefäße nicht die sonst typischen altersüblichen Verkalkungen auf. Das »ceterum censeo« der Professorin in diesen Fällen lautete: »Schauen Sie sich diese Koronarien an, makellos, zart, wie bei einem Zwanzigjährigen. Der Mann hatte ohne Zweifel sein tägliches Quantum Trollinger.«
Tatsächlich wurde Ende des 20. Jahrhunderts die vorbeugende Wirkung mäßigen Weinkonsums auf die Krankheiten des Herz-Gefäßsystems wissenschaftlich recht eindrucksvoll bestätigt. 80 Bei der protektiven Wirkung auf die Gefäße scheinen der Alkohol und bestimmte Inhaltsstoffe des Rotweins zusammenzuwirken. Einige große epidemiologische Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Rotweingenusses richteten ihr Augenmerk auch auf den Krebs. Eine große dänische Studie ergab, dass Menschen, die mäßig, aber regelmäßig Wein, insbesondere Rotwein, zu sich nehmen, nicht nur seltener einen Herzinfarkt erleiden, sondern auch eine um 20 Prozent verringerte Krebssterblichkeit aufweisen. 81
Wodurch könnte diese geheimnisvolle Wirkung
des Weins begründet sein? Ich habe schon mehrfach betont, dass Aussagen epidemiologischer Studien mit Vorsicht verwendet werden sollten, solange es keine Vorstellungen darüber gibt, welche Mechanismen einem postulierten Kausalzusammenhang zugrunde liegen könnten. Entsprechende Ergebnisse aus Labors ließen aber nicht lange auf sich warten. Chemisch betrachtet ist Rotwein ein ungeheuer komplexes Stoffgemisch. Er enthält eine Vielzahl von Polyphenolen in vergleichsweise hoher
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