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Kreutzersonate / Eine Frage der Schuld

Kreutzersonate / Eine Frage der Schuld

Titel: Kreutzersonate / Eine Frage der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Lew u. Tolstaja Tolstoi
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malen. Während er ihm von Algerien erzählte, zeichnete er braunhäutige Menschen mit großen Turbanen. Pawlik nahm begeistert seinen Block und zeigte die Bilder Anna.
    «Guck mal, Mama, wie Dmitri Alexejewitsch malen kann!»
    «Sie sind also Maler?», fragte Anna, die die Handschrift des erfahrenen Meisters erkannte.
    «Ja, Fürstin, sofern man einen Menschen so nennen kann, der sein ganzes Leben auf die Malerei
verwandt und kein einziges anständiges Bild zustande gebracht hat.»
    «Das ist einmal auch mein Traum gewesen – Malerin zu werden; aber Sie sehen ja, worauf ich jetzt meine Zeit und meine Kräfte verwende.»Sie wies auf die um den Tisch sitzenden Kinder.
    «Mama kann auch malen», rief Manja und zerrte Dmitri Alexejewitsch am Ärmel, um ihm eine an der Wand hängende Landschaft zu zeigen. Bechmetew lobte das Bild in wohlgesetzten Worten.
    «Jetzt spreizt er sich wieder», dachte Anna.
    «Woher haben Sie diese Aussprache, ganz und gar wie ein Ausländer?»
    «Ich habe meine Kindheit in England verbracht und danach lange im Ausland gelebt. Ist es denn so auffällig?»
    «Ich hätte Sie tatsächlich für einen Ausländer gehalten.»
    Als die Kinder schon im Bett und alle auseinandergegangen waren, machte Bechmetew Anstalten loszufahren, doch Anna forderte ihn auf, bis zum nächsten Tag zu bleiben, da der Fürst gegen zwölf Uhr zu Hause sein wollte.
    Am Morgen verließ Bechmetew lange nicht das Nebengebäude, in dem er übernachtet hatte, und Anna hatte Verständnis für sein Feingefühl.
Der Fürst traf jedoch nicht ein wie versprochen; als die Dämmerung anbrach, begann sie sich große Sorgen zu machen und beschloss, ihm entgegenzureiten. Sie bot Bechmetew an, sie zu begleiten, und ging den Kleinen stillen und sich umziehen.
    Trotz ihrer Besorgnis kleidete sie sich besonders sorgfältig an, wusste sie doch, wie viel ihrem Mann ihr Aussehen bedeutete, vor allem wenn Fremde zugegen waren. Außerdem quälte ihre überhitzte Phantasie der Gedanke an die umtriebige Dame, die bei der Jagd mit von der Partie war.
    Prächtige englische Pferde wurden vorgeführt. Anna und Bechmetew schwangen sich in den Sattel und ritten schweigend die Allee entlang zum Hauptweg. Das Gespräch, das sie beide zu führen versuchten, wollte gar nicht in Gang kommen. Anna war ihres Mannes wegen zu beunruhigt, was Bechmetew nicht entging.
    Es war inzwischen völlig dunkel geworden. Anna war schon drauf und dran umzukehren, da sie befürchtete, der Kleine würde in ihrer Abwesenheit unaufhörlich plärren, als plötzlich das Stampfen zahlreicher Pferde, Stimmen und Lachen vernehmbar wurden.
    Anna und Bechmetew hielten sich dicht am
Waldrand, während die große Gesellschaft, an der Spitze der Fürst und die schöne Dame, mitten auf dem Hauptweg dahinritt. Anna konnte deutlich das Lachen der Dame hören und dann die Worte: «Non, jamais je ne me déciderai d’entrer à cette heure et dans ce costume chez vous.»
    «Vous voulez mon désespoir!»
    «Et que penserait votre vertueuse femme?» 15
    Anna rief den Fürsten laut an. Nie hätte er damit gerechnet, seiner Frau zu begegnen, und Missmut überkam ihn.
    «Ich war so in Sorge um dich, mein Freund, du hattest versprochen, am Vormittag zurück zu sein», sagte Anna.
    «Wer ist denn das?», wollte der Fürst wissen, wobei er dem sich ihnen nähernden Begleiter seiner Frau ins Gesicht starrte.
    «Das ist dein alter Freund Dmitri Alexejewitsch. Er ist gestern eingetroffen.»
    «Dmitri! Wo kommst du her? Das ist ja eine Überraschung!»
    «Direkt aus Algerien komme ich. Wie ich mich freue, dich zu sehen! Dazu als Familienvater, glücklich …»
    «Wie unverhofft das alles! Moment, ich bin so froh, dich zu sehen, aber ich muss mich bei der Gesellschaft entschuldigen.»

    Der Fürst wendete jäh sein Pferd, um zu den Jägern zurückzukehren, sagte allen ein paar freundliche Worte, warf der Dame scherzhaft eine elegante Liebenswürdigkeit zu und preschte, nachdem er sich verabschiedet hatte, seiner Frau und dem Freund hinterher.
    Als er seine Frau eingeholt hatte, ritt er mit ihr ein paar Schritte voraus und flüsterte ihr zornig zu:«Ich freue mich sehr, Dmitri zu sehen, aber es ist höchst unschicklich, dass du nachts en tête à tête 16 mit einem Mann durch die Gegend reitest, den du zum ersten Mal siehst.»Er drehte sich nach Bechmetew um, der sein seitwärts ziehendes Pferd nicht zu bändigen vermochte.
    «Ist es vielleicht schicklich, ohne Zustimmung seiner Frau Damen das Übernachten

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