Kreuz des Südens
seine Richtung und rang um Luft.
Ungerührt trug Rhoad die Nummer der Parkuhr, die Art des Fahrzeugs, in diesem Fall ein A für Automobil, das Fabrikat, das Kennzeichen und Farbe des Wagens ein. Er steckte den Strafzettel in das dafür vorgesehene Kuvert und schob es unter den Scheibenwischer. Passman näherte sich ihm mit stierem Blick, keuchend und schwitzend, ihr Blut in Aufruhr. Feindselig bohrten sich ihre kleinen, dunklen Augen in die seinen. »Ich wäre schon längst hier gewesen und hätte das Auto wegfahren können, wenn Sie verdammt noch mal am Sprechfunk den Mund gehalten hätten«, bellte sie ihn an. »Das ist verdammt noch mal Ihre Schuld! Es ist immer Ihre verdammte Schuld, Sie dämlicher, schwachköpfiger Verlierer, Sie schielendes, schwanzloses, mutterfickendes Arschloch, Sie dumme Drecksau!«
Sie ging zu ihrem Cadillac, riss das Kuvert von der Scheibe, schwenkte es vor seinem Gesicht und stopfte es in sein feinsäuberlich gebügeltes Uniformhemd. Dabei riss sie die Krawatte mit dem Fertigknoten aus dem Kragen.
»Jetzt sind Sie zu weit gegangen«, sagte Rhoad drohend. Sie zeigte ihm den doppelten Vogel. »Sie sind verhaftet!«, schrie er.
Der Verkehr begann zu stocken, die Leute waren an diesem ansonsten ereignislosen Mittwochmorgen scharf auf einen guten Kampf.
»Stecken Sie sich's in den Arsch!«, schrie Passman. »Los, Mädel, zeig's ihm!«, rief eine Frau aus ihrem Acura. Rhoad fummelte an den Handschellen, die hinten an seinem Sam-Browne-Gürtel hingen, Passman schrie weitere Obszönitäten.
Ihr Blutzucker tauchte in dunkle Tiefen, wo Irrationalität und Gewalt zu Hause waren, während eine Zuschauermenge um sie herumstand und sie anstachelte.
Rhoad griff nach Passmans Handgelenk. Sie trat ihn gegen die Schienbeine und spuckte ihn an. Er geiferte, drehte ihr den linken Arm auf den Rücken. Mit den Knöcheln ihrer rechten Hand drosch sie ihm in den Nacken. Seit Jahren hatte Rhoad niemandem mehr Handschellen angelegt. Er verfehlte mit der Öffnung Passmans Handgelenk, Stahl krachte gegen ihren Knöchel. Passman heulte auf vor Schmerz, als Rhoad endlich die Stahlbacken viel zu fest um ihr Handgelenk schloss. »Tu es! Tu es!«, schrie jemand aus einer schwarzen Corvette. Mit der freien Hand griff Passman zwischen Rhoads Beine und drückte zu.
25
Ruby Sinks einjährige Großnichte Loraine war fiebrig und hatte ihre Mutter die ganze Nacht wach gehalten. »Armes Baby«, sagte Miss Sink am Telefon. »Wiegst du sie? Hast du ihr ein Aspirin für Babys gegeben?«
»Ja, ja«, sagte Miss Sinks Nichte Frances. »Ich weiß nicht, was ich sonst noch tun soll. Wenn ich noch einen Tag bei der Arbeit fehle, stehen die Leute Schlange, die gerne meinen Job hätten.« Miss Sink konnte Loraine schreien hören und stellte sich deren hochroten Kopf vor. Eine Tagesmutter kam nicht infrage. Miss Sink würde es ganz einfach nicht erlauben, dass das kranke Kind den Tag mit einer Fremden verbrachte, auch wollte sie nicht, dass Loraine jemand anderen ansteckte. »Ich würde mich freuen wie ein Schneekönig, wenn ich sie dir während der Arbeit abnehmen könnte«, sagte Miss Sink. »Und ich möchte wetten, dass du schon hektisch dabei bist, dich fertig zu machen.«
»Ja«, sagte Frances verzweifelt. »Ich hab mich noch nicht mal geduscht.«
»Bin schon unterwegs«, sagte Miss Sink. »Ich hole Loraine ab, und wir werden einen wunderbaren Tag miteinander verbringen.«
»Und wenn ihr Fieber nicht runtergeht, rufst du Dr. Samson an? Nur um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist.«
»Natürlich, meine Liebe.«
»Oh, ich danke dir, Tante Ruby.«
»Ich muss sowieso noch aus dem Haus«, sagte Miss Sink. »Ich habe noch genau zwei Dollar in meinem Portemonnaie, dabei schulde ich dem Gärtner was und wahrscheinlich jedem zweiten Bürger dieser Stadt.«
»Ach, das sagst du doch immer, Tante Ruby. Du hältst den absoluten Pleiteweltrekord. Mutter sagte immer, sie hätte noch nie eine so reiche arme Frau gesehen wie dich.« Beim Gedanken an ihre tote Schwester wurde Miss Sink traurig. Die einzigen Angehörigen, die sie noch hatte, waren Frances und Loraine. Ihre fröhliche Stimmung sank auf den Tiefpunkt, was gegen ihre Natur war.
»Warum kommst du nicht nach der Arbeit zu mir zum Essen?«, sagte Miss Sink. »Wenn du deinen kleinen Engel abholst.«
»Kommt drauf an, was es gibt«, sagte Frances.
»Ich könnte ja auch diesen netten Polizisten einladen«, sagte Miss Sink, »den hübschesten jungen Mann, den du je gesehen
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