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Kreuz des Südens

Kreuz des Südens

Titel: Kreuz des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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eine Carlton. Eigentlich hatte sie bereits vor Monaten mit dem Rauchen so gut wie aufgehört, aber in Augenblicken wie diesen brauchte sie einen Freund. »Wer überprüft das schon?«, sagte sie. »Hat dich von deiner High School je einer angerufen oder zu Hause besucht?«
    »Weiß ich nicht mehr.«
    »Also, mich sicher nicht. Das passiert auch selten, es sei denn, man baut Mist. Und wie es scheint, war er bis vor ein paar Wochen ein ganz normaler, durchschnittlicher, unauffälliger Niemand. So einer fängt dann auf einmal an, die Schule zu schwänzen, oder kommt gar nicht mehr. Vielleicht ruft sogar die Schule bei ihm an. Aber rate mal, was: Dann ist es bereits zu spät.«
    »Ich frage mich, ob seine Eltern was wissen.« Brazil griff nach seinem Styroporbecher mit einer Flüssigkeit, die einmal genießbarer Kaffee gewesen war.
    »Die verdrängen das. Oder beschützen ihn. Wollen sich nicht damit auseinander setzen, wollten es noch nie. Ich bin ganz sicher, dass der Junge kein unbeschriebenes Blatt mehr ist. Nirgendwo gibt es Fotos von ihm, nicht mal im Jahrbuch. Das ist genau wie bei all den anderen kleinen Verbrechern, damit wir ja nicht wissen, wie sie aussehen. Ich möchte wetten, dass er in North Carolina ein Strafregister hat. Wahrscheinlich ist er von der Dillon High School.« Das war eine sarkastische Anspielung auf die Besserungsanstalt in Butner, North Carolina. »Wahrscheinlich hat ihn seine dämliche Familie hierher geschickt, als er sechzehn wurde und alle seine Akten gelöscht wurden. Auf diese Weise kann das Arschloch ganz von vorn beginnen und ist sauber wie ein Chorknabe.« Brazil schwenkte den Kaffee in seinem Becher. Er atmete tief ein und blies die Luft langsam wieder aus.
    »Gut. Gehst du heute Nacht nochmal ins Bett?«, fragte West. »Die Nacht ist vorbei«, sagte Brazil.
    »Willst du mitkommen? Wir könnten uns ein paar Rühreier machen oder so?«
    Traurigkeit legte sich über Brazils Gesicht. »Solange wir erst bei mir vorbeifahren«, sagte er. »Ich muss noch was holen.«
    Im Azalea Motel in der Chamberlayne Avenue auf der Northside hätte die Polizei Smoke nie vermutet. Er freute sich auch über die Ironie des Namens, da doch übermorgen die Azalea Parade stattfinden sollte. Smoke hatte Großes vor. Er saß in seinem Einzelzimmer auf dem Einzelbett und dachte, dass sein neues Versteck auch nicht viel besser war als das Clubhaus. Das Azalea Motel war der typische Ort, wo mit Drogen gehandelt wurde, wo Leute ermordet wurden und es niemanden kümmerte. Smoke hatte Zimmer Nr. 7 für achtundzwanzig Dollar die Nacht gemietet. Ausdruckslos starrte er in den Fernseher und trank Wodka aus einem Plastikbecher. Smoke hatte die Nachrichten verfolgt. Morgens um fünf nach sechs klingelte sein Telefon. »Ja«, sagte er in den Hörer. Es war Divinity.
    »Baby, sie haben unser Clubhaus gestürmt, genau wie du es vorausgesagt hast«, erzählte sie ihm aufgeregt. Smoke lächelte und starrte auf die Abfalltüten in der Ecke, die randvoll mit Waffen und Munition waren. »Weißt du, Sick und ich haben den Wagen beim Sexshop geparkt und vom Wald aus zugesehen. Wir hätten fast laut losgelacht. Wie die reingestürmt sind, mit ihrer ganzen Ausrüstung, schwer bewaffnet und alles. Du hattest verdammt Recht, dass wir verschwinden mussten, Süßer. Aber ich will wissen, wann ich dich wiedersehe, hm?«
    »Nicht jetzt«, sagte Smoke gelangweilt und drehte an der Trommel eines Colt .357.
    »Ein bisschen mehr Sehnsucht dürfte ruhig sein.« Divinitys Tonfall war auf der Kippe zwischen verletzt und wütend. Smoke hörte nicht zu. Seine Gedanken wanderten zurück zu der alten Frau und ihrer Angst. Smoke hatte niemals zuvor jemanden so sehr das Fürchten gelehrt. Geradezu ehrfürchtig stand er vor seiner eigenen Macht und war davon mindestens ebenso berauscht, wie von seinem Wodka. Es war ein erregendes Gefühl abzudrücken. Er war so high gewesen, als er ihr den Kopf wegblies, dass er die Schüsse kaum gehört hatte. Er trank noch einen weiteren Schluck Wodka.
    »Was wirst du den anderen sagen?«, fragte Divinity.
    Smoke war wieder da. »Wie?«
    »Du hörst ja nicht mal zu.« Ihre Stimme bekam einen scharfen Ton. Wenn Smoke etwas vermeiden wollte, dann war es ein Streit mit Divinity. Sie war in der Lage, ihm eine Szene zu machen, und das konnte er zur Zeit nicht gebrauchen.
    »Ich bin einfach nur müde«, sagte er und seufzte.
    »Und ich vermisse dich, und es macht mich ganz verrückt, dass ich dich nicht vor Samstagabend

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