Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kreuz des Südens

Kreuz des Südens

Titel: Kreuz des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
einem weicheren Ton.
    Er streckte ihr die Hand entgegen. Sie musste schlucken. »Und ich habe dich nicht fallen lassen«, sagte er. Er rückte seinen Stuhl neben ihren und küsste sie. Im Schlafzimmer entdeckte er die Weingläser mit Mineralwasser.
    Hammer hatte gute Lust, das ganze NIJ-Projekt fallen zu lassen. In ihrem Kopf rebellierte ein Haufen anders denkender, unzufriedener Menschen, die sie nicht einschlafen ließen. Sie dachte an Bubba und wie übel sie ihn verdächtigt hatte. Es quälte sie, wie schlecht sie mit Lelia Erhart und anderen umgesprungen war.
    Ein Ziel ihrer Mission war es gewesen, Menschen zu überzeugen. Sie sah keinerlei Anzeichen dafür, dass ihr das gelungen war. Sie hatte das Police Department modernisieren wollen. Und was war passiert? Das gesamte COMSTAT-Telekommunikationssystem war zusammengebrochen. Die Überfälle an Geldautomaten waren in einem Mord gegipfelt. Es gab kriminelle Jugendbanden. Und es gab Smoke. Hammer glaubte nicht, dass sie es je wieder ertragen könnte, an Ruby Sinks Haus vorbeizukommen oder auc h nur durch die Gegend zu kommen, in der sie gelebt hatte. Miss Sink war in ihrem rosafarbenen Kleid und den Slippern die ganze Nacht durch Hammers Gedanken gegeistert. Das letzte Gespräch mit Miss Sink auf dem Bürgersteig vor ihrem Haus ging Hammer einfach nicht aus dem Sinn. Sie sah die alte Frau so deutlich vor sich, dass es ihr in der Seele wehtat und sie mit Schuldgefühlen erfüllte.
    »Ich bin eine Versagerin«, sagte Hammer zu Popeye. Popeye lag unter der Decke zwischen Hammers Füßen. »Ich habe Leid gebracht. Ich hätte nicht hierher kommen dürfen. Ich wette, du würdest lieber noch in Charlotte sein, wo du einen Garten hattest, nicht wahr?«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Popeye wühlte sich zu ihr hoch und leckte ihr das Gesicht. Hammer konnte sich nic ht erinnern, wann sie das letzte Mal geweint hatte. Sie war so stoisch gewesen, als Seth gestorben war, denn sie hatte geglaubt, das würde von ihr erwartet. Sie hatte vernünftige Gründe gesucht, weshalb ihre Söhne anscheinend nichts mehr von ihr wissen wollten. Sie war mutig, innovativ und immer für das Gemeinwohl da gewesen. Alles, damit sie genug zu tun hatte und sich ja nicht einsam fühlte. Es hatte nicht funktioniert. Sie stand auf und zog sich an.
    Niemand nahm ab, als Hammer von ihrem Auto aus Brazil anrief. Als nächstes versuchte sie West und war erleichtert, dass er und West dort waren.
    »Ich muss Ihnen beiden etwas Wichtiges sagen.« In Fan einen Parkplatz zu finden war zu dieser frühen Stunde nicht allzu schwer, und es gelang ihr, sich in eine Lücke am Straßenrand genau gegenüber von Wests Stadthaus zu quetschen. Hammer war wie benommen. So, als ob sie gar nicht vorhanden wäre. Das wäre ihr auch das Liebste gewesen, als ihr Brazil die Tür öffnete.
    »Danke, dass ich kommen konnte«, sagte Hammer zu Brazil auf dem Weg ins Wohnzimmer.
    »Danke Ihnen«, sagte Brazil. »Es sieht ziemlich wüst aus hier.« Hammer war das egal. Sie nahm noch nicht einmal ihre Umgebung wahr, ob aufgeräumt oder nicht. Sie setzte sich auf einen Stuhl mit gerader Lehne, West und Brazil nahmen ihr gegenüber auf dem Sofa Platz.
    »Virginia, Andy«, begann sie, »ich werde zurücktreten.«
    »Um Gottes willen«, rief West schockiert.
    »Das können Sie nicht tun«, sagte Brazil verzweifelt.
    »Im Grunde«, fuhr Hammer fort, »hab ich so ziemlich in allem versagt. Ich war mal eine gute Polizistin, ein guter Chief. Aber hier hassen uns alle.«
    »Nicht alle«, sagte Brazil.
    »Die meisten«, sagte West, »wenn wir ehrlich sind.«
    »Nun, ich denke, dass wir aus Charlotte kommen, macht's nicht gerade besser«, vermutete Brazil.
    »Oder dass es uns gelungen ist, das COMSTAT-Netz so ziemlich weltweit lahm zu legen«, sagte Hammer. »Oder dass wir's nicht geschafft haben, die Automatenüberfälle aufzuklären, bevor ein schrecklicher Mord passierte. Oder dass eine Funkerin mit einem Verkehrspolizisten in eine Schlägerei geriet, nachdem beide erst wenige Tage zuvor eine Belobigung bekommen hatten«, half West ihr, die Liste fortzusetzen.
    Hammer faltete die Hände in ihrem Schoß. Sie unterbrach nicht, sie stand auch nicht auf und wanderte hin und her.
    »Judy«, sagte West, »wo wollen Sie hin? Zurück nach Charlotte?«
    Hammer schüttelte den Kopf.
    »Nirgendwohin«, antwortete sie. »Wenn ich mit Richmond nicht fertig werde, werde ich woanders nicht mehr Erfolg haben. Wenn das Pferd stirbt, soll man absteigen.

Weitere Kostenlose Bücher