Kreuzberg
dir.«
Ups, denke
ich.
Und schon
ist er mir wieder unheimlich. Denn wie kann sich ein Mensch in seinem Denken
immer so gewiss sein? Ist das noch Selbstbewusstsein oder schon Gehirnwäsche?
»Ah, der
Herr Knoop!« Von hinten kommt der blondgelockte Schmittke über den Hof, der
stets geduldig leidensfähige Co. von Inga Lenz. Er strahlt über das ganze
Gesicht und drückt erst Beylich, dann mir die Hand.
»Wie
geht’s?«
»Gut«,
antworte ich. »Und Ihnen?«
»Bestens«,
lacht er, »wie immer. Wenn man nicht gerade bei der Überwachung des Parks von
durchgeknallten Mädels angegriffen wird …« Er zeigt uns Biss und
Kratzspuren an seinen Unterarmen und lacht fröhlich. »Die arbeiten jetzt mit
Lockvögeln. Irre, was? Die Inga lässt übrigens fragen, was die Stimmenanalyse
gebracht hat. Die beiden Anrufe – Sie wissen schon.«
»Klar. Ich
hab das schriftlich im Büro. Kommen Sie mit, dann können Sie’s gleich haben.«
37 ZU DRITT NEHMEN
WIR den Fahrstuhl
nach oben. Beylich mustert Schmittke interessiert von oben bis unten.
»Schwarzwald?
Sie kommen bestimmt aus dem Schwarzwald, oder?«, fragt er ihn.
»Stimmt!«
Schmittke strahlt noch breiter. »Woher wissen Sie das?«
»Die
Haare.« Beylich greift sich an den Kopf. »Da gibt es viele so blonde Jungs wie
Sie.«
»Ist nicht
wahr!« Schmittke lacht wie ein kleiner Junge. »Die meisten bei uns sind
dunkelbraun.«
»Aber Sie
machen doch sicher Extremsport, richtig?«
Ich frage
mich allmählich, worauf Beylich hinaus will.
»Bergsteigen«,
antwortet Schmittke und freut sich noch immer. »Ich weiß nicht, ob das so
extrem ist.«
»Sehen
Sie!« Beylich nickt zufrieden. »Letzte Woche habe ich im Fernsehen einen
Bericht gesehen über Extremsportarten: Fallschirmspringen, Gleitfliegen,
Surfen, und dieses …« Er überlegt kurz und spricht es dann wie
»Bungi-Dschumping« aus. »Die Typen, die das machen, sehen alle aus wie Sie.
Blond, braun gebrannt und fröhlich.«
»Ehrlich?«
Schmittke strahlt und schiebt sich etwas verlegen die schulterlangen Locken
nach hinten. »Na ja, liegt vielleicht am Adrenalin.«
Wir haben
unser Büro erreicht. Ich suche auf dem Schreibtisch nach Damaschkes
schriftlicher Ausfertigung der Stimmenanalyse und gebe sie Schmittke.
»Grüßen Sie
die Inga von uns.«
»Mach ich«,
freut sich Schmittke. Er nickt den Übrigen zu, »Tag allerseits«, und geht.
Ich sehe
Beylich an. »Was sollte das denn?«
»War ich zu
aufdringlich?«
»Nein. Ich
war nur etwas verwundert über dein plötzliches Interesse an dem Schmittke.«
»Das ist
wenigstens ein richtiger Wessi!«
»Schmittke?«,
mischt sich Hünerbein ein. »Wieso das denn? Der weiß doch so gut wie nie etwas
besser.«
»Ich rede
auch nicht vom Besserwessi, wie er seit der Wende auffällt.« Beylich kratzt
sich am Hinterkopf. »Sondern von den Wessis, wie ich sie früher kannte.
Strahlend blond und aus dem Schwarzwald.«
»Das musst
du uns mal genauer erklären.«
»Ich habe
einen Cousin.« Beylich setzt sich an seinen Schreibtisch. »Oskar. Der sieht so
aus wie Schmittke und wohnt im Schwarzwald. Früher war er immer mit meiner
Tante und dem Onkel zu Besuch bei uns. An Ostern zum Beispiel. Sie brachten
Kaffee und Schokolade mit. Und sie rochen so gut nach Westwaschmittel. Genau
wie die Pakete, die sie uns schickten. Die rochen genauso.« Beylich sieht uns
versonnen an. »Typische Westverwandtschaft halt. Damals hab ich gedacht, die
sehen da alle so aus. Wie Schmittke. Und dann kommt letztens dieser Bericht im
Fernsehen – und da sind sie wieder: meine braun gebrannten, blonden
Westklischees aus dem schönen Schwarzwald.«
»Hast du
noch Kontakt zu deinem Cousin?«
»Ich durfte
ja nicht«, antwortete Beylich. »Als ich zur Volkspolizei ging, war Schluss.
Keine Westkontakte mehr. Erst letztes Jahr, kurz nach der Wiedervereinigung,
bin ich mal rübergefahren. Hab Oskar besucht. Viel zu sagen hatten wir uns
nicht. Und alt ist er auch geworden. Nicht mehr blond, sondern grau.«
»Die Inga«,
weiß Hünerbein, »kommt ja auch aus dem Schwarzwald. Eine gebürtige
Hinterzartenerin.«
Wir wiehern
drauflos. Denn »Mädle aus dem schwarzen Wald, die sind nicht leicht zu habe«.
Wir schmeißen uns weg vor Lachen. Ob’s Bärbele aus dem »Schwarzwaldmädel«
tatsächlich ein Weib wie Inga zum Vorbild hatte?
»Alle
werden sie sich drehen«, singt Hünerbein drauflos, »wenn man heut die Geigen
stimmt. – Ich nur werd im Winkel stehen. Keinen hab ich, der
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