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Kreuzberg

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Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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hatte noch achtundzwanzig Minuten.

39    DIE VILLA an der Zehlendorfer Rehwiese war
gediegen und unauffällig. Ein Anwesen wie so viele in dieser gehobenen
großbürgerlichen Lage mit ihren hinter hohen Hecken versteckten Häusern aus
wilhelminischer Zeit. Sie entsprachen einer Anordnung des Kaisers. Fassaden
waren schlicht zu halten, um den Neid des einfachen Volkes nicht zu
provozieren. Wer es lieber prunkvoll haben wollte, musste für entsprechend
blickdichte Bepflanzung zur Straße hin sorgen, sonst drohten empfindliche
Strafen.
    Bis heute
schätzen die Bewohner an der Rehwiese die Diskretion. Man grüßt sich zwar, weiß
aber sonst nicht viel von den Nachbarn. Alljährlich kommt man zu einem
Wohltätigkeitsball zusammen und spendet für die Bedürftigen.
    Einige der
Villen wurden lange vom Staat genutzt, als Archiv für kunsthistorisch wertvolle
Dokumente zum Beispiel, von diversen Stiftungen oder dem Ȁrztlichen sozialen
Dienst des Bundes«. Kaum jemand wusste, dass sich hinter dieser etwas allgemein
gehaltenen Bezeichnung nicht etwa eine Anlaufstelle burn-out-geplagter
Ministerialbeamter verbarg, sondern eine Außenstelle des Kölner Bundesamtes für
Verfassungsschutz.
    Die
eifrigen Mitarbeiter von Christoph Gräfenheinrich und seinem Adlatus Poppe
studierten an diesem 20. August 1991 die Akten zum Mordfall Swantje Steffens.
Ahnungslos, denn es bahnte sich Unheil an. Lautlos und von allen Seiten.
    Vielleicht
hatte es arglose Spaziergänger auf der Rehwiese gegeben, die sich über schwarz
gekleidete, mit Sprechfunkgeräten hinter Büschen kauernde Männer gewundert
hatten, und so manch einem Passanten mochte auch der eine oder andere besonders
unauffällige Wagen am Straßenrand aufgefallen sein.
    Und ganz
sicher würde der aufmerksame Zeitungsleser in den Tagen danach die im Lokalteil
erschienene Meldung bemerken, wonach es an der Rehwiese zu einer schweren
Explosion mit mehreren Toten gekommen sei. Ein Haus war völlig zerstört worden.
Als Ursache wurde eine defekte Gasleitung ausgemacht. Das Ganze sei besonders
tragisch, habe es sich bei der Villa doch um ein frühes Beispiel der reformierten,
gegen den um die Jahrhundertwende üblichen historisierenden Eklektizismus
gerichteten Landhausarchitektur gehandelt. Der letzte in Zehlendorf erhaltene,
um 1906 errichtete Bau des berühmten Architekten Hermann Muthesius. Es war
wirklich schade drum.
    Dass das
denkmalgeschützte Gebäude einem Scharmützel zweier deutscher Geheimdienste zum
Opfer fiel, weiß bis heute niemand. Offiziell will diesen Zwischenfall auch
keiner bestätigen.
    Mit
anderen Worten: Wir wissen nicht, was genau geschah.
    Nur eines
ist klar. Am frühen Nachmittag bekommen wir unsere Akten wieder. Jan von
Schmitt-Visselbeck bringt sie uns persönlich ins Büro.
    »So, Herr
Knoop. Damit Sie aktiv werden können.«
    Ich bin
ziemlich erstaunt. Dieser Schmitt-Visselbeck scheint ein Freund der kurzen Wege
zu sein. Zum Dank präsentiere ich ihm erste Ergebnisse: Die drei identischen
Schuhsohlenabdrücke vom Tatort und der Bankfiliale und aus der Wohnung von
Swantje Steffens.
    »Und was
schließen Sie daraus, Herr Knoop?«
    »Dass es
einen Zusammenhang zwischen dem Mordfall an der Steffens und dem Raub in der
Commerzbank am Mehringdamm gibt«, erwidere ich. »Vielleicht hat sich Ihr KGB -Killer
dort finanzielle Mittel beschafft?«
    »Mhmmm«,
macht Schmitt-Visselbeck gedehnt. Er denkt einen Moment nach, sagt aber nichts.
Schließlich verabschiedet er sich und wendet sich zum Gehen.
    »Ich sehe,
Knoop, Sie sind auf einem guten Weg. Viel Erfolg weiterhin.«
    »Ihnen
auch.« Ich warte, bis er das Büro verlassen hat, und greife dann zum Telefon,
weil es klingelt.
    »Inspektion
M1, Kriminalhauptkommissar Knopp am Apparat, was gibt’s?«
    »Gut, dass
du wieder im Büro bist.« Am anderen Ende ist Monika. »Wer waren denn die Typen
heute Morgen?«
    Ich zögere
einen Augenblick. BND ?
Darf ich ihr das sagen? Oder bin ich in geheimer Mission unterwegs?
    »Externe
Ermittler«, antworte ich ausweichend. »Wir müssen Amtshilfe leisten wegen eines
seltsamen Kriminalfalls an der Heerstraße.«
    »Und wieso
haben die sich so faschistoid benommen? Ich hab richtig Angst bekommen.«
    »Die waren
halt schlecht drauf«, winde ich mich. »Irgendwie unsicher halt. Aber jetzt ist
das ja geklärt.«
    »Ist es
das?«
    »Ja.«
    Sie
schweigt. Irgendwas hat sie auf dem Herzen, ich spüre es.
    »Hast du
viel zu tun?«
    »Ziemlich.
Wieso?«
    »Ich muss
was mit dir

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