Kreuzberg
sei doch mal ein bisschen flexibler.
Siggi kann nicht in den Knast zurück, das wäre sein sicherer Tod.«
»Sagt er!«
»Ja. Aber
warum sollte ich ihm nicht glauben?«
»Weil er
dich schon öfter belogen hat. Weil er ein alter Stasimann ist! Ein Typ, der gar
nicht anders kann als zu taktieren.« Ich fange an, mich aufzuregen. »Der
dauernd irgendwelche Dinger dreht und grundsätzlich alle Menschen in seiner
Umgebung für seine krummen Sachen ausnutzt!«
»Aber er
gehört auch irgendwie zur Familie, oder?«
»Nicht zu
meiner.« Trotzig verschränke ich die Arme über der Brust. So weit kommt es
noch, dass ich mich für Siggis geheime Agentenspielchen einspannen lasse. »Ich
werde ihn festnehmen und zu Swantje Steffens verhören. Basta!«
»Super!«
Auch Monika wird sauer. »Jetzt kannste dich endlich an ihm rächen, was?«
»Wieso
sollte ich mich an ihm rächen?«
»Weil ich
mit ihm verheiratet war?«
»Blödsinn!«
Diese kaputte Ehe war vor meiner Zeit und geht mir total am Arsch vorbei.
»Warum
hilfst du ihm dann nicht?« Monika sieht mich fast flehend an. Natürlich hat sie
Angst um ihren Siggi. Der Arme! Dabei ist das so ein falscher Hund,
ehrlich …
»Es geht
ihm wirklich schlecht«, redet sie auf mich ein, »ich hab mich vorhin mit ihm
getroffen. Ich kenne ihn gut, ich weiß, dass es diesmal verdammt ernst ist. Der
fürchtet um sein Leben!«
»Und wir
sollen ihn jetzt retten?«
»Herrgott,
Dieter, wir müssen ihn retten!« Sie sieht mich entsetzt an. »Oder willst du
zulassen, dass er den Sowjets vor die Flinte läuft? Es geht um Siggi, verdammt
noch mal!«
Ja, ja.
Schon verstanden. Der gute, alte Siggi.
»Vergiss
nicht, dass er unserer Tochter mal das Leben gerettet hat.« Sie fährt wirklich
alle Geschütze auf. »Melanie wäre tot, wenn er sich damals nicht in die
Schusslinie geworfen hätte!«
Und seitdem
glaubt er, mindestens die gleichen Rechte als Vater zu haben wie ich.
Nein, ich
habe wirklich keine Lust, Siggi aus der Patsche zu helfen. Da hat er sich ganz
allein reingesetzt.
Oder wie
meine Mutter immer gesagt hat: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.
Ich tue nur
Monika einen Gefallen. Das ist mein Problem als Mann. Ich kann Frauen nichts
abschlagen. Und für Monika mach ich alles, das weiß sie nur zu genau. Deshalb
redet sie jetzt so eindringlich auf mich ein. Weil sie sich sicher ist, dass
sie mich weichklopfen wird.
Und
vielleicht nutzt es mir ja auch was, wenn ich Siggi treffe. Der kennt bestimmt
ein paar Hintergründe. Und vielleicht kann er mir sogar genauer sagen, wer
Swantje Steffens auf dem Gewissen hat?
Eine Hand
wäscht die andere, denke ich. Ich werde ihm nur helfen, wenn er mir hilft.
»Okay«,
sage ich schließlich. »Ich treff mich mit ihm.«
»Und du
wirst ihn nicht festnehmen.«
»Nein. Aber
ich werde ihm sagen, dass er sich stellen soll.«
»Das wird
er. Wenn die Gefahr vorüber ist.« Monika lächelt mich an. »Ich wusste, dass du
ihm hilfst.«
Tatsächlich?
Dann kennt sie mich besser, als ich selbst. Denn ich wusste es bis vor knapp
einer Minute noch nicht.
40 DER FLUGHAFEN »Otto Lilienthal« in
Berlin-Tegel ist der beste Airport Deutschlands. Vermutlich auch der beste
Europas und der Welt. Er ist einzigartig in seiner Architektur, einzigartig in
seiner Kundenfreundlichkeit, und, vom Tempelhofer Flugfeld einmal abgesehen,
auch einzigartig in seiner Nähe zur Innenstadt. Eine kleine, aber sehr feine
Kathedrale des internationalen Luftverkehrs. Als Drive-in-Airport im
geometrischen Hexagon-Stil der siebziger Jahre konzipiert, ist er ein Flughafen
der kurzen Wege.
Mit dem
Taxi kann man sich praktisch bis vors Flugzeug chauffieren lassen. Über einen
eigenen Autobahnzubringer geht es in den Innenhof des sechseckigen
Hauptabfertigungsgebäudes bis direkt an einen der vierzehn Check-in-Schalter
heran. Koffer abgeben, Bordkarte holen, und schon sitzt man in seinem Flieger.
Umgekehrt ist es genauso, man steigt vom Flugzeug direkt ins Auto oder den Bus
und hat trotz notwendiger Pass- und Zollkontrollen kaum Wartezeiten bei der
Gepäckrückgabe. Ein geniales Konzept, das die endlosen Wege, Rollbänder und
Korridore anderer Verkehrsflughäfen mit ihren gigantischen Shopping-Malls als
vollkommen absurd dastehen lässt.
Seit dem
Mauerfall mehrten sich nun die Gerüchte, dass »Otto Lilienthal« dem stetig
wachsenden Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen sei, aber noch meisterte man
in Tegel die gestiegenen Passagierzahlen tadellos. Und die Leute,
Weitere Kostenlose Bücher