Kreuzberg
besprechen.«
»Schieß
los! Worum geht’s?«
»Nicht am
Telefon. Können wir uns nicht treffen?«
Monika mit
ihrer Abhörphobie. Wann begreift sie endlich, dass geheime Telefonmitschnitte
in unserer Demokratie illegal wären.
»Es ist
wichtig«, drängelt sie.
»Okay«,
lenke ich ein. »Aber bei mir in der Nähe, okay?«
»Wasserklops«,
schlägt sie vor. »Ich bin in zwanzig Minuten da.«
Der
Wasserklops, auf dem Breitscheidplatz zwischen Europa-Center und
Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Tauentzien- und Budapester Straße gelegen, heißt
eigentlich »Erdkugelbrunnen«. Der Berliner Bildhauer Joachim Schmettau hat ihn
1983 im Auftrag der Stadt errichtet. Ein großer runder, von Wasser überspülter
Block aus rotem, polierten Granit. Mehrere Wasserbecken drum herum,
verschiedene eingravierte Schriftzeichen und Bronzefiguren sollen die Vielfalt
der Kulturkreise der Welt darstellen. Aber wer das nicht weiß, braucht viel
Phantasie, um dahinterzukommen.
Trotzdem
ist der Brunnen bei den Berlinern und ihren Gästen sehr beliebt. Tag und Nacht
steppt hier der Bär, Skater nutzen die Anlage für artistische
Rollbretteinlagen, Straßenmusiker spielen auf, Porträtmaler bieten ihre Künste
an. Hier treffen sich die Menschen zum Stadtbummel, zum Shoppen, zum Flirten
oder einfach nur zum In-der-Sonne-Sitzen.
Heute ist
es hier seltsam ruhig und die Stimmung eher gedrückt. Die Skater fehlen und
auch die Musiker. Überhaupt sind wenige Menschen auf dem Platz, die meisten
haben sich ein paar hundert Meter weiter vors Ku-Damm-Eck gestellt, um auf der
großen Lichtrasterwand mit dem News-Ticker die neuesten Meldungen aus Moskau zu
verfolgen.
Monika
wartet am Kentucky Fried Chicken auf mich und erzählt, dass Siggi nach dem
Freigang gestern nicht ins Gefängnis zurückgekehrt sei.
»Dieser
Idiot«, entfährt es mir, »der hätte doch nur noch höchstens ein halbes Jahr
absitzen müssen.«
»Er glaubt,
dass er in Tegel nicht mehr sicher ist«, erwidert Monika.
»Ist er in
was verwickelt?«
»Siggi ist
immer in was verwickelt«, winkt Monika ab, »du kennst ihn doch. Er glaubt, dass
der KGB hinter ihm her ist.«
»Weswegen?«
Dreht Siggi jetzt durch, oder was?
»Die
Sowjets hatten ihn an seinem ersten Freigang zu sich in die Botschaft bestellt.
Er sollte im Untergrund operierende Stasiseilschaften für die Russen
requirieren.«
Ich kann nicht
glauben, was Monika da erzählt.
»Vor dem
Treffen«, berichtet sie weiter, »wurde er aber von einer Westagentin
abgefangen. Siggi hat ihr zugesagt, die geheimen sowjetischen Pläne, sofern er
davon Kenntnis erhält, sofort an sie weiterzuleiten.«
»Und der KGB ist dahintergekommen?«
Monika
nickt. »Die Agentin wurde umgebracht. Jetzt hat Siggi Angst, dass ihm dasselbe
passiert. Und er hofft, dass du vielleicht mehr darüber weißt. Weil du
möglicherweise in dem Fall ermittelst.«
»Wie heißt
diese Agentin?«, frage ich, obwohl ich ahne, was jetzt kommt.
»Sie hat
sich Siggi gegenüber mit einem Decknamen vorgestellt«, antwortet Monika,
»Cordula. In Wirklichkeit aber heißt sie Steffens.«
»Swantje
Steffens«, sage ich. Das erklärt einiges. Deshalb hat sich der Verfassungsschutz
so brennend für die Akten interessiert. Die harmlose Finanzbeamtin war in
Wirklichkeit undercover unterwegs.
Monika
sieht mich mit geneigtem Kopf und zusammengekniffenen Augen an. Die Sonne
blendet sie.
»Du weißt
Bescheid?«
»Nicht
wirklich.« Ich kann es kaum fassen. »Aber wir haben den Fall tatsächlich auf
dem Tisch.«
»Du musst
dich mit Siggi treffen.«
»Wo steckt
er denn?« Ich sehe mich um. Zuzutrauen wär’s ihm, dass er hier schon irgendwo
herumlungert und uns beobachtet. Um zu checken, wie unser Gespräch so läuft.
»Er ist
nicht hier«, sagt Monika. »Ich weiß nicht, wo er sich aufhält.«
»Und wie
soll ich mich dann mit ihm treffen?«
»Er will
mich anrufen«, erwidert sie. »Ich soll mit dir was ausmachen.«
Wie stellt
der Kerl sich das vor? »Ist ihm klar, dass ich ihn festnehmen muss, wenn ich
ihn treffe?«
»Musst du
das?«
»Ja. Ich
bin Kriminalbeamter und Siggi ein entflohener Sträfling. Da sind die Rollen
klar verteilt.«
»Und wenn
du deine Rolle mal vergisst?«
»Das kann
ich nicht.« Wie denn? Ich kann den doch nicht einfach laufen lassen. Der Mann
ist rechtskräftig verurteilt und entzieht sich seiner gerechten, im Namen des
Volkes auferlegten und, wie ich finde, nicht allzu harten Strafe.
»Mensch,
Dieter.« Sie nimmt mich am Arm. »Jetzt
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