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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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ein anderes Telefonbuch. »Vielleicht finde ich ja die Privatnummer der
schönen Holländerin …«
    »Vergiss
es, wir fahren jetzt direkt zum Flughafen.« Ich nehme ihm das Telefonbuch aus
der Hand und werfe es auf die Klappcouch. »Komm!«
    Doch statt
sofort wieder loszurennen, starren wir uns verwundert an.
    Denn war da
nicht eben ein Geräusch zu hören? Kurz nachdem ich das Telefonbuch auf die
Couch geworfen hatte? Und klang es nicht wie ein unterdrücktes Stöhnen?
    Ich lege
mir den Finger auf die Lippen und gehe leise zur Couch. Dann trete ich etwas
kräftiger mit dem Fuß gegen die Polster, und da ist es wieder: ein Wimmern,
oder eher ein gepresstes Winseln.
    Hünerbein
zieht seine Waffe hervor und entsichert sie erneut.
    Fragend
sehe ich ihn an und deute auf die Couch: Öffnen?
    Er nickt.
    Mit einem
Ruck klappe ich die Couch auf, und Hünerbein hält einem verschreckt guckenden,
zu einem Bündel fest verschnürten Siegbert Meyer den Lauf der Waffe an den
Kopf.
    »Tja«,
stellt er seufzend fest, »von diesem gut verpackten Freund geht wohl keine
akute Gefahr aus.« Er sichert die Heckler & Koch und steckt sie wieder ein.
    »Was machst
du denn hier?« Ich ziehe Siggi die Knebel aus dem Mund. Der Kerl taucht seit
Jahren immer genau da auf, wo man ihn nicht braucht. Aber heute bin ich gnädig.
Immerhin hat er mir den Naumann geliefert, auch wenn Hünerbein dafür befördert
wird. Mit einem Taschenmesser schneide ich ihm die Fesseln auf.
    »Mensch,
Dieter«, krächzt er erleichtert und atemlos. »Dass du gekommen bist …«
    »Halt die
Klappe. Wo ist der Kerl hin?«
    Siggi
schweigt.
    »Hey«, schreie
ich ihn an, denn uns läuft dramatisch die Zeit weg.
    »Du hast
gesagt, ich soll die Klappe halten.«
    »Sehr
witzig. Also, wo ist er hin?!«
    »Das hat er
mir nicht gesagt.« Siggi rappelt sich etwas auf und sieht sich um. »Seine
Reisetasche ist jedenfalls weg.«
    »Wahrscheinlich
Flughafen«, meint Hünerbein, »so weit waren wir ja schon.«
    »Kommst du
allein klar?«, frage ich Siggi.
    Der nickt.
»Jetzt ja.«
    »Okay. Wir
hauen ab.«
    Und schon
stürmen wir wieder aus der Wohnung.
    Mit
Hünerbeins Mercedes brettern wir, sämtliche Verkehrsregeln ignorierend,
Richtung Autobahn. Im Handschuhfach hat Hünerbein eine per Saugnapf zu
befestigende blaue Rundumleuchte. Ich pappe sie aufs Dach, um seinem wüsten
Fahrstil amtliches Gewicht zu verleihen, und rufe dann per Funk die Zentrale.
    »Wir
brauchen Einsatzkräfte am Tegeler Flughafen. Die sollen sämtliche Flugzeuge
nach Brasilien stoppen, klar?«
    »Das geht
nur mit richterlicher Verfügung«, wird uns gemeldet.
    »Dann
sollen die eine ausstellen und rüberfaxen. Wir sind in fünfzehn Minuten da.«
    Hünerbein
orgelt die Stadtautobahn hinunter und bezweifelt, dass überhaupt Maschinen von
Tegel nach Brasilien starten.
    »Und warum
fahren wir dann dahin?«
    »Weil die
interkontinentalen Flüge via Frankfurt laufen«, antwortet er mir. »Und da kommt
man auch nur über Tegel hin.«
    »Oder mit
der Bahn.«
    »Bloß
nicht.«
    Wieder
greife ich zum Funkgerät, doch im Tunnel reißt die Verbindung ab. »Mist,
Funkloch.«
    »Funkloch
am Funkturm«, frotzelt Hünerbein, als wir wieder an die Oberfläche kommen. »Beeil
dich, denn am Kaiserdamm gibt es den nächsten Aussetzer.«
    »Zentrale?
Bitte auch die Flüge nach Frankfurt stoppen!«
    »Was,
alle?«
    »Ja.«
    »Ihr seid
verrückt, wer soll das verantworten? Dann braucht ihr eine neue Verfügung.«
    »Ja, sieht
ganz so aus.«
    Ich lege
wieder auf, denn wir jagen unter der Kaiserdammbrücke durch.
    Mehrmals
geht es danach noch zwischen der Zentrale und mir hin und her, weil man sich in
der Dienststelle außerstande sieht, die Verantwortung für einen Stopp
sämtlicher Frankfurtflüge zu übernehmen, aber das ist mir inzwischen auch egal,
denn Hünerbein rast schon mit quietschenden Reifen den Flughafenzubringer hoch
und stoppt vor dem Abfertigungsgebäude.
    Zwei
Flughafenpolizisten erwarten uns.
    »Was soll
der Quatsch mit Brasilien?«, fragt einer. »Hier ist noch nie eine Maschine
dahin abgeflogen.«
    »Und
Frankfurt?«
    »Die letzte
ist gerade weg.«
    Wir lassen
uns die Passagier- und Buchungslisten zeigen. Nirgendwo ein Lothar Reinicke. Ob
der auch mit falschem Pass reist?
    Eine
freundliche Frau vom Service erklärt uns schließlich, dass es eine Art
Direktflug nach Brasilien von Schönefeld aus gebe. Eine mexikanische
Gesellschaft fliege seit Kurzem Manaus an. Mit Zwischenstopps in Gander,
Neufundland und

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