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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Guadalajara, Mexiko.
    »Wie heißt
die Gesellschaft?« Vielleicht kriegen wir ihn ja doch noch.
    » TAESA -Airlines«,
antwortet die Frau, »startet in …« Sie sieht auf die Uhr und schüttelt
bedauernd den Kopf. »… vierzig Minuten. Oje, das schaffen Sie nicht mehr!«
    »Das
schaffen wir!«
    Hünerbein
holt aus seinem alten Benz das Letzte raus. Es geht zurück über die
Stadtautobahn bis Gradestraße und die Buckower Chaussee zum alten Ostberliner
Zentralflughafen Schönefeld am anderen Ende der Stadt.
    Wahrend der
Fahrt liefere ich mir noch ein paar, von diversen tunnelbedingten Funklöchern
unterbrochene Wortgefechte mit der Zentrale.
    Es ist zum
Kotzen! Wie soll man vernünftig arbeiten, wenn niemand, wenn es mal ernst wird,
Verantwortung übernehmen will? Nicht mal den Abflug dieses mexikanischen
Billigfliegers wollen sie für uns verzögern.
    »Hilf dir
selbst, dann hilft dir Gott«, meint Hünerbein, als der Flughafen Schönefeld in
Sicht kommt.
    »Rechts
rum«, brülle ich.
    »Wieso
rechts rum?«
    Weil ich
eben eine Maschine mit gelber Heckflosse und der Aufschrift » TAESA «
aufs Flugfeld rollen sehe.
    »Da! Da! Da
ist der Flieger!«
    »Ja, okay,
und wie soll ich dahin kommen? Das ist doch abgesperrt. Da sind doch überall
Zäune!«
    Ostzäune,
denke ich und greife Hünerbein kurzerhand ins Lenkrad, lächerlicher
Maschendraht aus sozialistischer Produktion. Der sollte doch für das anerkannte
schwäbische Qualitätsautomobil mit dem Stern kein Hindernis sein.
    »Ja, sage
mal, spinnst du!«, kreischt Hünerbein auf.
    Zu spät,
denn schon fliegen uns die ersten Zäune um die Ohren und reißen auch den Stern
von der Motorhaube.
    »Mein
schönes Auto«, jammert Hünerbein.
    »Sei froh,
dass es ein Mercedes ist«, beruhige ich ihn, »hier drin sind wir sicher.«
    Die
Maschine schwenkt auf die Startbahn ein, die Triebwerke heulen auf.
    »Fahr
direkt davor«, rufe ich.
    »Vors
Flugzeug?« Hünerbein ist entsetzt. »Bist du verrückt, das rollt doch schon!«
    »Ja, eben!«
Wenn wir nicht wollen, dass es mit Reinicke abhebt, müssen wir die Kiste
stoppen. Notfalls mit Gewalt. »Nun mach!«
    Hünerbein
bringt seinen Mercedes quer mitten auf der Startbahn zum Stehen und starrt
angstvoll auf die näher kommende Maschine. Mit riesigen Scheinwerfern am Bug
und lärmenden Turbinen rollt der Riesenvogel jetzt direkt auf uns zu.
    Wir kneifen
geblendet die Augen zusammen.
    »Hält der
noch an?«
    Ich weiß
nicht. Kann sein. – Oder nicht? Nee, eher nicht. Es sieht derzeit wirklich
nicht so aus, als ob der Flieger noch rechtzeitig bremsen kann. Können
Flugzeuge überhaupt bremsen?
    »Raus«,
brülle ich.
    Wir werfen
uns seitlich aus dem Wagen, bevor er vom Bugrad der TAESA -Maschine
stark eingedrückt und mit einem entsetzlichen Schleifgeräusch noch gut fünfzig
Meter über die Startbahn geschoben wird. Dann steht der Flieger still.
    Na also,
Ziel erreicht. TAESA bleibt am Boden.
    »Gut
gemacht, Hünerbein.«
    Sein
geliebter, elf Jahre alter Benz allerdings hat die Konfrontation mit dem
Flugzeug nur als Totalschaden überlebt.
    »Ja,
super!« Hünerbein rappelt sich schnaufend auf. »Ich will nicht wissen, was
meine Versicherung dazu sagt.«
    Von allen
Seiten rasen blaulichternde Fahrzeuge der Flughafenfeuerwehr auf uns zu.
Irgendein Wichtigtuer hält uns einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr
vor. Aber das soll die Dienststelle verantworten, die nicht dafür sorgen
konnte, dass der Flieger normal am Boden bleibt.
    Wir weisen
uns aus, warten, bis eine Rampe zum Flugzeug gefahren wird, und klettern dann
an Bord. Wenn jetzt Lothar Reinicke nicht in dieser Maschine sitzt, haben wir
ein echtes Problem.
    »Ich hoffe
nur, dass sie nicht wieder startet«, bangt Hünerbein, »während wir noch an Bord
sind. Ich bin heute schon mal unverhofft durch die Gegend geflogen. Und
Brasilien ist mir jetzt wirklich zu weit weg.«
    »Die können
nicht starten«, beruhige ich ihn, »dazu müssten sie erst deinen Trümmerhaufen
von Auto von der Startbahn räumen.«
    Ich bleibe
vor einem Sitzplatz am Fenster stehen. Der Mann, der ihn belegt, sieht aus wie
Günter Netzer ohne Haare.
    »Herr
Lothar Reinicke, Sie sind vorläufig wegen Verdachts auf Mord an Ihrer
geschiedenen Ehefrau Swantje Steffens festgenommen.«
    Hünerbein
legt ihm Handschellen an.
    Glück
gehabt.

47    FÜNFHUNDERTUNDZWOTAUSEND
MARK.
    Das war die
Summe, die Reinicke am Leibe trug. Eingenäht in seine Jacke, ins Futter der
Hosen und in die Reisetasche. Bei

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