Kreuzberg
du
die nicht aufgezogen hast. Das war ganz allein Monika!«
Da kann ich
doch nichts für. Die Mauer stand zwischen uns. Und seit deren Fall lebt das
Kind bei mir. Schwer pubertär, dagegen ist Babyaufzucht gar nichts.
Neben uns
schreit sich das Liebespaar an, an der Kreuzung schaltet die Ampel auf Grün,
mehrere Autos fahren Gas gebend los. Und einer der Jungs geht auf die
Telefonzelle zu. Sicher will er ein Taxi rufen.
Die
Telefonzelle!
»Nicht«,
rufe ich und halte den Jungen davon ab, die Zelle anzufassen. Sofort sind seine
Kumpels um mich herum.
»Machste
Stress, Alter? Willst’n paar auf die Fresse, oder was?«
»Stopp,
stopp«, mischt sich Hünerbein ein, »niemand haut hier irgendwem auf die Fresse,
klar? Das regeln wir alles schön friedlich.« Er sieht mich ernst an. »Sardsch,
lass den Jungen los!«
»Nur, wenn
er nicht in die Zelle geht.«
»Niemand
hat das Recht, einem anderen das Telefonieren zu verbieten«, mahnt Hünerbein,
»auch wir als Polizisten nicht.«
»Doch«,
entgegne ich, »wenn es um die Sicherung von Beweisen geht, schon. –
Mensch, Hünerbein!« Manchmal ist der wirklich schwer von Begriff. »Die
Telefonzelle! Von da aus kann er angerufen haben!«
»Wer?«
Hünerbein versteht nicht.
Dafür aber
Beylich. »Wir regeln das! Matuschka, sag Damaschke Bescheid!«
Matuschka
rennt sofort los.
Beylich
baut sich vor der Zelle auf und brüllt: »Die Zelle ist gesperrt. Polizeiliche
Ermittlung. Bitte benutzen Sie ein anderes Telefon.«
Ich lasse
den Jungen los. »Nichts für ungut, ja?«
»Du
glaubst«, Hünerbein starrt auf die Telefonzelle, »dass der Täter von hier aus
angerufen hat?«
»Nicht der
Täter«, antworte ich, »sondern der, der unsere Leiche gefunden hat. Und somit
tatverdächtig ist.«
6 ALLAHU AKBAR!
Er hat uns
vor diese grausame Probe gestellt, und wir müssen sie meistern. Ein gütiger
Fingerzeig, der uns die richtige Richtung weisen soll. Wir sind Sünder und
waren ohne Reue. Daran kann kein Zweifel bestehen.
Aber warum
das Kind?
Hüseyin
stand Richtung Mekka gewandt, die schmerzenden Hände vor dem Bauch gefaltet. Er
versuchte, sich auf das Gebet zu konzentrieren, doch die Ereignisse des
vergangenen Tages und der Nacht wogen schwer.
Warum das
Kind, fragte er sich immer wieder, warum diese unschuldige Blüte? Gewiss, auch
sie hat sich versündigt, war unbedacht mit Worten und mit Taten, doch sie ist
jung und ihr Innerstes rein und klar wie ein Gebirgsquell.
Preis sei Dir, o Allah, und Lob sei
Dir, und gesegnet ist Dein Name, und hoch erhaben ist Deine Herrschaft, und es
gibt keinen Gott außer Dir.
Verstohlen
sah er auf die Uhr. Draußen kroch die Morgensonne hinter den Häusern hervor,
der Tag brach an. In weniger als einer Stunde würden sie wieder anrufen. Um ihm
zu sagen, wohin er den Wagen zu bringen hatte. Aber er besaß ihn nicht mehr. Ob
sie es schon wussten?
Ich nehme Zuflucht vor dem verdammten
Scheitan.
Im Namen Allahs, des Erbarmers, des
Barmherzigen.
Irgendein
Teufel hatte ihn verraten. Die Frage war, wer? Wer hasste ihn so? Was hatte er
getan? Wo war das Böse zu suchen?
Gewiss
hatte er Feinde und Neider. Rache und Geldgier regierten die Welt, und auch er
war nicht immer ehrlich gewesen. War heimlichen Lastern erlegen und hatte
gelogen und betrogen. Das Weib war schuld, die Schönheit der Frau. Wie Nymphen
locken sie ihn in den Abgrund mit ihrem faszinierenden Liebreiz, ihren
wunderbaren Formen, ihrer Anmut. Er kann dem einfach nicht widerstehen.
Ja, er hat
gesündigt. Er ist vom rechten Wege abgekommen, ein Mann voller Zweifel und
wankelmütiger Natur, der nun mit gebeugtem Haupt vor dem Allmächtigen steht und
nicht mehr weiterweiß.
Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des
Barmherzigen. Alle Lobpreisung gebührt Allah, dem Herrn der Welten, dem
Allerbarmer, dem Barmherzigen, dem Herrscher am Tage des Gerichts. Dir allein
dienen wir, und Dich allein flehen wir um Hilfe an. Leite uns den rechten Weg,
den Weg derer, denen Du gnädig bist, nicht derer, denen Du zürnst, und nicht
derer, die in die Irre gehen. Amin.
Es war
alles schiefgelaufen.
Nichts
hatte geklappt, er stand vor den Trümmern seines Seins. Aber das Kind hat keine
Schuld. Es muss befreit werden, von jenen, die Rache wollen und sein Geld.
Es war
gewiss ein Fehler, mit Gewalt zu drohen. Aber es ging um das Leben seiner
Sonne, des Lichts, der Schönheit, und er war verzweifelt.
Warum
hatten sich die Leute von der Bar überhaupt eingemischt? Ungläubige, dem
Alkohol
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