Kreuzberg
diversen Überwachungsmonitoren vor sich hin döste.
Damit stand
Orhan auch schon vor dem zweiten Problem, denn das ganze Scheißgelände wurde
mit Kameras überwacht, sogar die Dächer! Flugs warf er sich auf den Bauch und
robbte zur Dachkante. Dort sah er das dritte Problem: Über Nacht waren neue
sichergestellte Fahrzeuge hinzugekommen und der Mercedes des Vaters komplett zugeparkt.
So konnte Orhan zwar gut versteckt die Kralle abmontieren, mit der das rechte
Vorderrad des Wagens immer noch blockiert war. Er hatte ja den Schlüssel dazu.
Aber wie sollte er den Wagen dann wegfahren? Er war völlig eingekeilt von
anderen Autos. Mindestens zwei Wagen mussten beiseitegeschoben werden, bevor
man den Mercedes da rausbekam. – Mist!
Allahu akbar , dachte Orhan und entschloss sich zu besonderer Kreativität.
Polizeihauptwachtmeister
Karsten Trauffetter starrte auf seine Bildschirme. Er hatte nur kurz
weggesehen, weil er seine Stullen auspackte, und dennoch war es ihm
vorgekommen, als hätte sich auf Monitor sieben etwas bewegt. Die Sieben
überwachte die Dächer, und jetzt war dort nichts Ungewöhnliches mehr zu
entdecken, obwohl Trauffetter die Kamera per Joystick aufmerksam hin und her
schwenken ließ. Alles wie immer. Auch auf den übrigen Bildschirmen schien alles
normal, weshalb sich der Wachtmeister bald wieder seiner Brotdose zuwandte.
Vielleicht war es nur ein Vogel. Oder ein Eichhörnchen aus dem nahegelegenen
Lassen-Park. Da gab es viele solcher Viecher. Mehrmals schon hatten sie die
zentrale Alarmanlage ausgelöst, sodass man sie abschalten musste, weil Anwohner
sich über den Krach beschwerten. Seit Monaten versprach der Senat, Mittel für
eine modernere Anlage bereitzustellen. Einen Alarm, der nicht gleich auf
größere Vögel und Eichkatzen reagierte, sondern nur auf wirkliche Gefährdungen.
Aber der Senat versprach immer viel und hielt wenig. Bis hier eine neue Anlage
installiert wurde, da war sich Trauffetter sicher, konnte es noch mehrere
Wahlperioden dauern.
Der
Hauptwachtmeister schraubte seine Thermoskanne auf und trank einen Schluck. Der
Tee war kalt, und das war gut so. Eiskalter Zitronentee; besser löschte nichts
den Durst. Vor allem im Sommer. Deshalb füllte Trauffetter seinen Tee auch
immer in die Thermoskanne. Damit er schön kalt blieb. Zwar hatten sie jetzt
einen kleinen Kühlschrank hier, aber es war eben so eine Gewohnheit. Tee kommt
in die Thermoskanne, im Sommer wie im Winter. Denn was heiß hält, hält auch
kalt.
Plötzlich
klirrte im Hof etwas. Trauffetter reckte den Hals und ging zum Fenster. Das war
doch nicht möglich: Irgendein Kerl mit sichtbarem Migrationshintergrund schob
draußen die Autos hin und her. Der Wachtmeister traute seinen Augen kaum. Da,
schon wieder: Der Typ schlug einfach die fahrerseitigen Scheiben ein, griff ans
Steuer und schob die Fahrzeuge über den Hof, bis die Lenkradsperre einrastete.
Der hatte sie ja wohl nicht mehr alle!
Trauffetter
setzte sich hastig die Dienstmütze auf und wollte dem Treiben draußen umgehend
mit der uneingeschränkt respekteinflößenden Autorität eines deutschen
Hauptstadtpolizisten Einhalt gebieten, doch er kam gerade bis zur Tür. Öffnen
ließ die sich nämlich nicht. Irritiert rüttelte der Hauptwachtmeister daran. Er
hatte sich doch nicht eingeschlossen, das machte er nie. Klemmte sie? Durchaus
möglich, die Tür stammte aus der Zeit, als hier noch Straßenbahnen fuhren. Eine
alte Flügeltür, so ein hässliches Teil aus den sechziger Jahren mit
drahtverstärkten Scheiben und Aluminiumrahmen. Wütend warf sich Trauffetter
dagegen. Vergebens. Jetzt erst bemerkte er die quietschgelbe Parkkralle.
Irgendwer hatte sie außen lautlos zwischen die beiden Griffe der Tür geklemmt
und so den Eingang nachhaltig blockiert.
Trauffetter
war außer sich. Er schnappte sich das Telefon, um Verstärkung zu rufen, Alarm
zu schlagen – irgendwas. Inzwischen wurde draußen ein sichergestellter
Mercedes gestartet, ein nagelneuer Wagen, war gestern erst reingekommen. Darauf
also hatten es die Täter abgesehen. Na wartet!
Der
Wachtmeister griff sich einen der Stühle im Raum und warf sie durch das
geschlossene Fenster. Scheiben splitterten, und jetzt ging der Hausalarm los.
Ein robuster alter Einbruchmelder mit ohrenbetäubender Klingel. Anschließend
sprang der Wachtmeister selbst durchs Fenster, um mit vollem Körpereinsatz den
Raub des Mercedes zu stoppen.
Hüseyin
war erschrocken aufgesprungen und rannte aus der Eisdiele auf die
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