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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Straße. Am
Eingang des Depots drehten sich plötzlich gelbe Rundumleuchten, eine
Alarmklingel schepperte laut und unüberhörbar. Er sah, wie Cemir von seiner
Parkbank aufsprang, über die Belziger Straße wetzte und sich mit einem
Bolzenschneider am Tor zu schaffen machte. Kurz darauf ging es auf, und Hüseyins
Mercedes schoss reifenquietschend heraus, auf der Kühlerhaube ein zappelnder
Polizist. Der Wagen stoppte scharf, fuhr mit durchdrehenden Rädern wieder an,
stoppte erneut. Offenbar versuchte Orhan, den Beamten loszuwerden, doch der
hielt sich wacker an den Scheibenwischern fest.
    »Haydi! Yallah, yallah«, brüllte Orhan, was in etwa
so viel wie »Macht hin« oder »Los geht’s« bedeutet.
    Hüseyin
rannte los und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Auch Cemir sprang in den
Wagen. Orhan gab wieder Gas und raste, heftig hin- und herlenkend, drauflos,
bis der hartnäckige Bulle kurz vor der Kreuzung Martin-Luther-Straße endlich
von der Motorhaube flog.
    Alle
atmeten auf.

11    ALS ICH ERWACHE, ist Hünerbein schon auf den Beinen
und telefoniert hektisch mit der Dienststelle. Zuvor muss er eine Ambulanz
gerufen haben, denn über mich sind zwei Rettungssanitäter gebeugt und sehen
sich zufrieden an.
    »Na bitte,
er kommt zu sich.«
    Aber wie:
Mein Kopf droht zu zerspringen. Unter der Schädeldecke verspüre ich ein dröhnendes
Pochen, und hinter der Stirn sitzt ein pulsierender Schmerz. Nein, es ist nicht
gut, wenn man ohnehin schon schwer verkatert ist und dann noch etwas auf den
Deckel bekommt.
    »Wir
mussten Ihnen am Hinterkopf ein paar Haare abrasieren«, lächelt der
Rettungsarzt. »Da war eine blutende Wunde, die wir mit ein paar Stichen genäht
haben.«
    Was? Will
der Kerl etwa sagen, dass ich eine Tonsur bekommen habe? Wie so’n oller Mönch?
Ich will aufspringen, um mich in einem Spiegel anzuschauen, doch die Sanitäter
drücken mich sanft auf das Sofa zurück.
    »Ganz
ruhig, Herr Knoop, es ist alles in Ordnung. Um sicherzugehen, werden wir jetzt
ins Urban-Krankenhaus fahren, einverstanden? Da können wir Sie gründlich
untersuchen.«
    Natürlich
bin ich nicht einverstanden. Ich bin von Kriminellen hinterrücks
niedergeschlagen worden, verdammt noch mal! Die mutmaßlichen Mörder jener Frau,
in deren Wohnung wir uns befinden, haben mir brutal auf den Kopf gehauen und
laufen da draußen irgendwo frei herum. Da mach ich doch nicht krank!
    Und wieso
ist Hünerbein eigentlich so putzmunter? Der hat doch auch was abgekriegt.
    »Ich hatte
Glück. Bei mir ist’s nur ’ne Beule.« Hünerbein zeigt sie mir, aber ich kann
keine besondere Veränderung an seinem Kopf erkennen. Der Kerl hat einfach einen
Dickschädel.
    »Die
Fahndung nach Misirlioglu läuft«, erklärt er mir, »und Beylich und Matuschka
sind mit einem Durchsuchungsbefehl auf dem Weg in die Großbeerenstraße.«
    Die
Zimmertür fliegt auf. Damaschke kommt mit einem zweiten Spurensicherer herein.
    »Bad und
Küche haben wir durch«, erklärt er munter und knallt lärmend seinen
Analysekoffer auf den Couchtisch. »Jetzt würden wir gern hier weitermachen,
wenn’s recht ist. Ich hoffe, ihr habt nicht alles angefasst …« Er starrt
mich an, grinst dämlich und deutet mit seinem rechten Zeigefinger eine kahle
Stelle über seinem Kopf an. »Kommt da dann demnächst noch ein Heiligenschein
dazu?«
    »Haha, sehr
witzig.« So ein Idiot! Und alle finden ihn lustig, denn neben den
Rettungssanitätern machen sich auch Hünerbein und der zweite Spurensicherer vor
Lachen fast ins Hemd.
    Genervt
schließe ich die Augen. Was hat der Türke vor, überlege ich mit hämmerndem
Hirn, wer sind seine Komplizen, und was haben sie hier gesucht?
    »Die
Schlüssel für den Wagen und die Parkkralle haben sie mitgenommen«, gluckst
Hünerbein noch immer kichernd, »meine Dienstwaffe Gott sei Dank nicht.« Er
klaubt die Pistole vom Boden auf und steckt sie sich ins Holster.
    Glück
gehabt, Hünerbein. Sonst wäre ein Verfahren fällig gewesen. Es gibt immer einen
Heidenärger bei uns, wenn einem Polizisten die Waffe abhandenkommt.
    »Also doch
nicht nackt tanzen«, stelle ich fest und setze mich auf.
    Hünerbein
starrt mich ratlos an.
    »Sind Sie
sicher, dass er wieder okay ist?«, fragt er die Sanitäter.
    Doch bevor
die antworten können, erinnere ich ihn an sein Horoskop. » Sie werden heute eine interessante Erfahrung machen.  – Damit war nicht das
tantrische Tanzen gemeint, sondern …«, ich tippe mir an den schmerzenden
Schädel, »… das hier!

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