Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
Vom Netzwerk:
habe doch alles versucht. Ich habe das
Auto, alles wie abgesprochen. Bitte, lasst nicht alles vergebens gewesen sein!«
    Nichts. Nur
monotones Blätterrauschen im Wald. Hüseyin sank verzweifelt auf eine kleine
Bank, die am Ufer stand, und wartete. Was sollte er sonst tun? Vielleicht kamen
sie ja noch. Er wagte es nicht, von hier wegzugehen. Wo sollte er sonst auch
hin?
    Eher
zufällig fiel sein Blick auf ein kleines zusammengefaltetes Blatt Papier, das
zwischen die Holzlatten der Rückenlehne der Parkbank gesteckt worden war.
Deutlich war darauf mit Schreibmaschinenschrift »Hüseyin« zu lesen.
    Er nahm das
Blatt, faltete es auf.
    »Nächste
Station Alemannenstraße hinter der Autobahnbrücke. Da findest du einen weiteren
Zettel. Du hast acht Minuten.«
    Erleichtert
sprang Hüseyin wieder auf und rannte fast zu seinem Wagen zurück. Er schlug die
Karte auf. Diesmal machte der Blick ins Straßenverzeichnis Sinn. Hüseyin fand
die Alemannenstraße sofort.
    Acht
Minuten, dachte er, das war zu schaffen.
    Die
Alemannenstraße lag im vornehmen Stadtteil Zehlendorf. Sie ging von der
Spanischen Allee ab und verlief parallel zur S-Bahn-Linie, der sogenannten
Wannseebahn. Riesige Villen säumten die Straße und repräsentative
Einfamilienhäuser.
    Hüseyin
kreuzte den noblen Hohenzollernplatz am Bahnhof Nikolassee, fuhr an der
Einkaufszeile und der Post vorbei und passierte dann die Brücke über die
Autobahn.
    Der
Nikolassee war eingekeilt von den Gleisen der S- und Fernbahn und der AVUS .
Häuser gab es hier kaum noch, und linker Hand war der See durch einen Zaun
abgesperrt. Hüseyin wusste nicht, warum. Es war ihm auch egal, denn ihm fiel
sofort der zusammengefaltete Zettel im Maschendraht auf. Eine weitere
Nachricht. Hüseyin stoppte den Wagen, nahm das Papier an sich und öffnete es.
    »Nächste
Nachricht Kohlhasenbrück«, stand da in Schreibmaschinenschrift, »am Ende des
Königswegs auf dem Waldparkplatz. Zehn Minuten.«
    Hüseyin
setzte sich wieder ins Auto und fuhr los. Den Königsweg in Kohlhasenbrück
kannte er, da hatte er mal ein großes Blumengebinde hingeliefert. Eine
Hochzeit, oder so was, genau wusste er es nicht mehr.
    Er bog von
der Alemannenstraße rechts auf das Nymphenufer ab, fuhr unter den S-Bahn-Brücken
durch und links auf den Kronprinzessinnenweg. Die Ampel am Sandwerder schaltete
gerade auf Grün. Das wollte er noch schaffen. Hüseyin gab Gas, heizte mit knapp
einhundert Stundenkilometern über die jetzt wieder auf Rot schaltende Ampel und
bremste stark ab, da vor dem Kiosk am S-Bahnhof Wannsee ein Polizeiwagen stand.
Die Beamten hatten sich dort sicher nur einen Kaffee geholt, aber Hüseyin
wollte nicht auffallen. Und so zuckelte er mit den vorschriftsmäßigen fünfzig
Kilometern pro Stunde an der großen Dampferanlegestelle der
Stern-und-Kreis-Schifffahrt vorbei und hielt rechts blinkend an der
Ampelkreuzung zur Königstraße. Hier war wie jeden Samstag ordentlich Verkehr.
    Der Wannsee
war schon immer eines der beliebtesten Ausflugsziele der Berliner gewesen.
Unzählige Biergärten wie die Loretta oder die Wannseeterrassen lockten die
stadtmüden Sommerfrischler hierher, dazu gab’s unzählige Yachtclubs, edle
Restaurants, Ruder- und Segelvereine – keine zwanzig Autominuten vom
Ku-Damm entfernt konnte man sich hier wie im Urlaub fühlen. Zumal seit dem Mauerfall
auch die Glienicker Brücke nach Potsdam wieder geöffnet war, sodass das ganze
Umland ohne Grenz- und Zollkontrollen buchstäblich erfahrbar war. Entsprechend
dick waren die Staus.
    Hüseyin
brauchte fast eine Viertelstunde, bevor er links auf die Chausseestraße abbog
und via Schäferstraße und Wilhelmplatz endlich die Landstraße nach
Kohlhasenbrück erreichte, wo er wieder beschleunigen konnte.
    Doch die
Verspätung war nicht mehr aufzuholen. Zumal er den Königsweg in die falsche
Richtung fuhr. Hier stand die Mauer noch. Links und rechts Beton und
Stacheldrahtverhaue, dazwischen die Straße. Sie führte zur ehemaligen
Westberliner Exklave Steinstücken – und hier war er falsch, denn es gab
hier keinen Waldparkplatz.
    Also mit
Vollgas zurück nach Kohlhasenbrück, den Königsweg hinunter. An der Bäkestraße
musste Hüseyin so scharf bremsen, dass es kreischte und die Bewohner der
umliegenden Ein- und Mehrfamilienvillen verwundert aus ihren Fenstern sahen.
Doch Hüseyin hatte Glück. Er war nicht in den Linienbus gekracht.
    Er
entschuldigte sich beim Busfahrer mit einer Geste und fuhr vorsichtig weiter.
Hinter der Brücke

Weitere Kostenlose Bücher