Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
Vom Netzwerk:
fragend. »Wat hat er denn verbrochen, unsa
Blumenhändler?«
    »Ich weiß
nicht, ob er was verbrochen hat«, antworte ich. »Wie lange war er denn gestern
hier?«
    »Weeß
nich.« Der Mann zuckt mit den Schultern. »Wir ham uns in der Wolle jehabt. Die
Steuer hat seine Karre jepfändet, aber det wissense ja ooch schon.«
    Vermutlich
hat’s ihm die Nachbarin erzählt. »Und«, frage ich, »wie lange hatten Sie sich
in der Wolle?«
    »Schätze,
so bis ein Uhr nachts.«
    Ein Uhr?
»Sind Sie sicher?«
    »Mann!« Der
Zyankali-Betreiber starrt mich entrüstet an. »Sind Sie sich mit über zwei
Promille Blutalkohol noch sicher?«
    »Nee.
Sicher nicht.« Ich bedanke mich bei dem Mann und betrete das Haus.
    Auf
mein Klingeln öffnet Matuschka die Tür zur Misirlioglu-Wohnung. Erleichtert
lässt er mich ein.
    »Endlich!
Hünerbein sagte, du kannst Türkisch.«
    »Hat die
Durchsuchung was ergeben?«
    »Noch
nicht«, antwortet Matuschka. »Aber wir haben ein paar Akten zur Sichtung
abtransportieren lassen.«
    »Was sagt
die Frau?«
    »Nüscht.«
Matuschka winkt ab. »Ich finde ja, wenn man in Deutschland lebt, sollte man
auch die Sprache lernen. Aber die kann nur Türkisch. Jedenfalls versteht sie uns
nicht.«
    Er führt
mich ins Wohnzimmer, wo Beylich mit hochrotem Kopf die Ehefrau des
Blumenhändlers zu befragen versucht.
    »Nachts
dein Mann gestern zu Hause?«, radebrecht er wild gestikulierend. »Du verstehen?
Wenn ja, du nicken, okay?«
    Ayse
Misirlioglu, eine etwa vierzigjährige Frau, hockt verständnislos auf der Couch
und sagt kein Wort.
    »Sie
schweigt«, flüstert Matuschka, »sie schweigt, seit wir hier sind.«
    Auf den
ersten Blick wirkt sie wie eine typische türkische Putzfrau, gebeugt und scheu,
doch wer genauer hinsieht, bemerkt, dass sie sehr wache Augen hat und das, was
um sie herum passiert, genau verfolgt.
    »Sen Almanca bilen değil
mi?« , erkundige
ich mich bei der Frau.
    »Das
sollten Sie Ihre Kollegen fragen«, erklärt Ayse Misirlioglu in völlig
akzentfreiem Deutsch, »deren Grammatik jedenfalls ist haarsträubend.«
    »Ja, die
kommen aus dem Osten«, winke ich grinsend ab und setze mich in einen der
weichen Polstersessel.
    »Arschloch«,
knurrt Beylich leise, wobei nicht genau klar ist, ob er die Frau oder mich
meint. Er setzt sich und sieht uns beide feindselig an.
    »Wo«, wende
ich mich der Frau zu, »befindet sich denn Ihr Mann derzeit?«
    »Muss ich
Ihnen das sagen?«
    »Nein«,
lächle ich, »und ich kann Sie als Angehörige ersten Grades nicht einmal dazu zwingen.«
    »Na, sehen
Sie.« Ayse Misirlioglu erhebt sich. »Möchten Sie einen Tee?«
    »Danke, ich
hatte gerade einen.«
    »Aber ich
würde gern was trinken«, meldet sich Beylich noch immer wütend zu Wort, »wenn
Sie so freundlich wären. Matuschka, du auch?«
    »Gern,
danke, ja.«
    »Oh, Sie
können ja doch richtig sprechen«, spottet die Frau und geht in die Küche. Kurz
darauf kommt sie mit einem silbernen Tablett zurück und stellt es auf den
Tisch. »Nehmen Sie sich den Zucker selbst?«
    »Ja klar,
danke.« Beylich rührt vorsichtig um, greift sich dann ein typisches kleines und
mit heißem Schwarztee gefülltes Glas, um sich prompt die Finger daran zu
verbrennen.
    »Immer oben
am Rand anfassen«, mahne ich ihn, »mit Daumen und Mittelfinger.« Ich zeige es
ihm. »Dann kannst du mit dem Zeigefinger das Glas ein bisschen kippen und den
Tee besser schlürfen.«
    »Wir hatten
durchaus auch Tee in der DDR «, mault Beylich.
    »Daran
gab’s keinen Mangel«, bekräftigt Matuschka.
    »Aber ihr
hattet keinen türkischen«, entgegne ich, »sondern sowjetischen, nicht wahr?«
    »Russischer
Tee ist auch nicht schlecht«, erklärt Matuschka mit gewichtiger Miene, »der
kommt aus dem Samowar. Sehr gemütlich, vor allem im Winter.«
    Ich sehe
zu, wie die beiden trinken.
    »Mein Mann
und meine Söhne haben heute Vormittag das Haus verlassen«, Ayse Misirlioglu
setzt sich wieder, »um etwas zu erledigen.«
    Ja, und mir
dabei auf den Kopf gehauen, denke ich bitter, als es plötzlich an der
Wohnungstür schließt.
    »Çık dışarı!« , kreischt Ayse drauflos, »Polis!«
    »Achtung«,
zische ich Beylich und Matuschka zu, »Zugriff!«
    Beide
greifen nach ihren Waffen und stürzen hinaus.
    Ich
hinterher, doch die Söhne des Blumenhändlers sind verdammt schnell. Wir fallen
mehr die Treppe hinunter, purzeln auf die Straße wie in einem dieser dämlichen
Comics und rappeln uns wieder auf.
    Einer der
Misirlioglu-Söhne wird vom Vokuhila-Mann an der

Weitere Kostenlose Bücher