Kreuzberg
Steinbock. Venus mit Mars im Streit. Ayse hatte was zu verbergen, das war
eindeutig.
»Sie
wissen, wo der Schlüssel ist«, stellte Hünerbein fest. »Warum sagen Sie es uns
nicht?«
»Nein!« Sie
schüttelte heftig den Kopf. »Ich weiß nichts. Er wurde gestohlen.«
»Gestohlen?
Von wem?«
»Ich weiß
nicht.« Jetzt fing auch Ayse an zu weinen. »In der Markthalle. Meine ganze
Handtasche. Papiere, Börse, Schlüssel – alles weg!« Hilflos sah sie ihren
Mann an. »Ich habe dir nichts gesagt, weil ich keinen Ärger wollte!«
Den haben
wir dafür jetzt umso mehr, dachte Hünerbein. »Wann war das?«
»Am
Montag.« Verzweifelt vergrub Ayse ihr Gesicht in den Händen. »Bei Allah, ich
konnte doch nicht wissen, dass das solche Folgen hat!«
19 MELANIE IST ZU
HAUSE. Das höre ich
schon, als ich den Wagen Belziger-, Ecke Martin-Luther-Straße abstelle. Aus den
Fenstern meiner Wohnung im dritten Stock dröhnt laut der »Blitzkrieg Bob« von
den Ramones. Das ist beruhigend. Wenigstens hier scheint alles in Ordnung zu
sein.
In
Vorfreude auf ein kühles Feierabendbier steige ich die Treppen hoch und
schließe die Tür auf. Dann ereilt mich ein Schock; denn im Flur steht ein
schwarzer Hüne. Splitternackt und mit einer hüftlangen Mähne aus wolligen
Dreadlocks. Um nicht auf seinen Penis von enormen Ausmaßen schauen zu müssen,
geht mein Blick am stattlich muskulösen, wie lackiertes Ebenholz glänzenden
Körper hoch und konzentriert sich auf das Gesicht: Bob Marley in jungen Jahren,
würde ich sagen. Die XXL -Ausgabe. Wahnsinn! Und
dieser riesige Yeti springt nun auf mich zu und haut mir begeistert seine
quadratmetergroße Pranke auf die Schultern, dass es kracht.
»Yoh, man !
Du bist Mellies Dad, right ? Wow, endlich lernt man
dich mal kennen, Alter!«
Hoffentlich
ist mein Schlüsselbein nicht gebrochen, denke ich. Worte bekomme ich keine
heraus. Buchstäblich sprachlos gehe ich ins Wohnzimmer und schalte die Musik
ab.
»Hallo,
Papa!« Melanie kommt in ein Handtuch gewickelt aus dem Bad gehüpft. »Sind wir
zu laut?« Sie rubbelt sich die Haare trocken und strahlt. »Das ist Boy. Ist er
nicht total süß?«
Eher rustikal,
finde ich und starre den Riesentypen an. Ganz klar ein Mann aus dem Dschungel.
Sehr ursprünglich. Darwin würde begeistert sein.
»Auch ein
Bier, Dad?« Der schwarze Tarzan verschwindet in der Küche und beginnt,
geschäftig in meinem Kühlschrank herumzukramen.
Hat er mich
gerade Dad genannt? Verblüfft starre ich ihm nach.
Ȇbrigens:
Sie sind nackt, Boy.«
»Papa, nun
sei nicht so verklemmt.« Melanie sieht mich erwartungsvoll an. »Und? Wie
findest du ihn?«
»Ziemlich
groß, wie mir scheint …«
»Zwei Meter
zehn!« Melanie jauchzt. »Ich liebe große schwarze Männer!«
»Könntest
du ihm trotzdem sagen, dass wir uns in Europa anzuziehen pflegen, bevor wir uns
den Vätern unserer Freundinnen vorstellen?«
»Mann, bist
du spießig!« Melanie runzelt vorwurfsvoll die Stirn. »Boy sieht gut aus, der
muss sich für nichts schämen.«
Mag sein,
aber ich will ihm trotzdem nicht beim Biertrinken dauernd aufs gigantische
Gemächt starren müssen. Allein die Vorstellung: meine zarte Tochter und dieses
riesige Tier …
»Bo-hoy«,
gurrt sie säuselnd, »mein Vater erträgt deine Nacktheit nicht. Würdest du dir
ein paar Hosen anziehen?«
»Bin schon
dabei, honey «, kommt es aus der Küche zurück.
Offenbar
hat Boy seine Unterhosen auf meinem Küchentisch geparkt. Und dann nennt er
Melanie auch noch honey ! Ich will gar nicht wissen, was er mit
ihr angestellt hat. Vermutlich hat er sie gleich auf dem
Küchenboden … – Großer Gott! Ein Wunder, dass das Kind noch lebt!
»Ist er«,
raune ich heiser, »also, ich meine, habt ihr … äh …« Ich weiß nicht,
wie ich meine drängendste Frage formulieren soll. »Alles klar bei dir?«
»Ja.« Sie
klingt etwas schnippisch. »Bestens, wieso?«
»Nichts,
ich … Nichts.« Ich wackele mit dem Kopf und komme mir vor wie ein
Bekloppter. Was soll ich tun? Diesen Typen rausschmeißen? Die Polizei rufen?
Herrgott, ich bin die Polizei! Vor allem bin ich ratlos.
Boy hat
sich immerhin Shorts und T-Shirt übergezogen und reicht mir ein Bier. »Hier,
Dad! Zum Aufwärmen.«
»Oh ja,
vielen Dank.« Ich halte mich an der Flasche fest, »Also dann: Prost, Boy«, und
trinke sie mit einem Zug aus. Danach geht es mir etwas besser.
»Noch
eins?« Boy hat schon wieder den Kühlschrank geöffnet, holt eine weitere Flasche
heraus und
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