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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Tutti Frutti und futterte ein Eis nach
dem anderen in sich rein. Er war enttäuscht, regelrecht frustriert. Noch im
Büro von Kriminaloberrat Dr. Edmund Palitzsch hatte er sich einer Lösung
des Falls viel näher geglaubt. Einer Lösung mit Hilfe der Sternenkunde. Man war
sich einig gewesen, dass ernsthaft betriebene Astrologie durchaus hilfreich
sein konnte und nicht von vornherein als abwegig zu bewerten sei. Jetzt, wo man
es auch noch mit einer Entführung zu tun habe, so hatte sich Hünerbein vom
Kriminaloberrat zusichern lassen, könne man es sich nicht leisten, derartige
Möglichkeiten einfach als Unsinn abzutun, auch wenn sie wissenschaftlich
umstritten seien. Es sei Gefahr im Verzuge, man könne nicht warten, bis die
Forschung zu einem Ergebnis darüber gekommen ist. Unter diesem Aspekt sei die
Überprüfung einer kosmischen Variante absolut vonnöten und berechtigt.
    Und jetzt
das. Ein Unbekannter mit einer Browning. Das kam in keiner Sternenkonstellation
vor. Vielleicht lag es am störenden Einfluss des Saturn? Oder waren Pluto und
Uranus für die kosmische Störung verantwortlich? Denn eigentlich standen die
Sterne doch eher günstig, Sonne, Merkur und Venus befanden sich im freundlichen
Sextil. Merkwürdig. Er würde es heute Abend mit Catherine besprechen müssen.
Allein kam er damit nicht weiter.
    Noch
während er sein Eis löffelte, stolperte ein blutjunger aufgeregter
Polizeidienstanwärter ins Tutti Frutti und näherte sich schüchtern.
    »Sind Sie
Kriminalhauptkommissar Hünerbein?«
    »Höchstpersönlich,
leider«, schmatzte der und sah auf. »Was gibt’s denn?«
    »Kam eben
über den Polizeifunk rein.« Der Anwärter reichte Hünerbein einen Zettel.
»Irgendein Herr Misilogo oder -ligu …«
    »Misirlioglu«,
verbesserte Hünerbein, »lass mal sehen!« Er nahm dem Jungen den Zettel ab und
las.
    Na, bitte:
Der Blumenhändler war wieder aufgetaucht. Das war doch wenigstens was.
    »Sei so gut
und übernimm mal die Rechnung, ja? Ich muss dringend los.«
    Hünerbein
erhob sich, klopfte dem Anwärter dankend auf die Schultern und verschwand,
bevor der Junge Protest anmelden konnte.
    Hüseyin
Misirlioglu sah furchtbar aus. Die ganze Nacht hatte er an dem kleinen
Waldparkplatz in Kohlhasenbrück verbracht, hatte gebetet und gewartet. Aber
seine Tochter Fatma war nicht aufgetaucht. Obwohl er das Auto offensichtlich
übergeben hatte.
    »Vielleicht
wurde es Ihnen ja auch nur gestohlen«, vermutete Hünerbein, der neben Matuschka
und gegenüber von Hüseyin und dessen Frau Ayse in deren Wohnzimmer Platz
genommen hatte.
    Beylich
stand mit verschränkten Armen an der Tür, zwei weitere Beamte überwachten die
Fangschaltung des Telefons. Die Söhne Orhan und Cemir hatten auf zwei Stühlen
am Esstisch Platz genommen und rutschten nervös hin und her.
    »Haben Sie
den Autoschlüssel stecken lassen, als Sie ausstiegen?«
    »Aber nein.
Ich ziehe den Schlüssel immer ab.« Hüseyin Misirlioglu holte ihn aus seiner
Anzugtasche. »Sehen Sie: Ich habe ihn hier!«
    »Dann
könnte der Wagen auch kurzgeschlossen worden sein.«
    »Meinen
Mercedes kann man nicht kurzschließen«, erklärte Hüseyin würdevoll. »Der Wagen
hat eine Wegfahrsperre. Der fährt nicht ohne diesen Schlüssel.«
    »Offensichtlich
doch.« Hünerbein schnaufte. »Das Auto ist ja weg.«
    »Die haben
das geplant.« Hüseyin hob die Hände. »Immer diese Zettel. Die haben mich erst
hierhin und dann dahin und dann vom Auto weggelockt – verstehen Sie?«
    »Schon«,
nickte Hünerbein, »die perfekte Übergabe eigentlich. Nur, wo ist Ihre Tochter?«
    »Ja, wo?«
Hüseyin traten die Tränen in die Augen. »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist sie
schon tot. – Entschuldigen Sie …« Er sprach nicht weiter und wandte
sich, jetzt tatsächlich lautlos weinend, ab.
    »Schon
gut.« Hünerbein seufzte gereizt.
    Er mochte
heulende Männer nicht. Heulende Türken schon gar nicht, die passten einfach
nicht in seine Vorstellung vom stolzen orientalischen Macho, der dem Schicksal
lässig einen Stinkefinger zeigt. Nach dem Motto: »Isch mach disch Schmerzen,
Alta!«
    Gesetzt den
Fall, dachte Hünerbein, gesetzt den Fall, Misirlioglu erzählt die
Wahrheit – und danach sieht es aus, würde er sonst zu heulen anfangen? –,
dann haben wir ein Riesenproblem. »Gibt es noch einen Zweitschlüssel für den
Wagen?«
    »Den hat
meine Frau«, schluchzte Hüseyin, ohne sich umzudrehen.
    Hünerbein
sah Ayse fragend an. »Haben Sie?«
    »Ja«,
antwortete die

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