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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Lenz verteidigen? Das habe ich nun wirklich
nicht nötig.
    Im
Gegenteil.
    »Vielleicht
empfinden Sie das als provokant«, sage ich gleichgültig und deute auf ein paar
militante Mädels, die mit Baseballschlägern und Reizgas bewaffnet durch den
Park patrouillieren. »Doch diese Geister haben Sie gerufen, Frau Kollegin Lenz.
Ich bin gespannt, wie Sie die wieder loswerden wollen.«
    »Das sind
die ›Hexen von Kreuzberg‹.« Inga Lenz setzt sich neben mich. »Eine Streetgang,
die für mehr Sicherheit auf den Straßen sorgen will.«
    »Eine
weibliche Bürgerwehr.« Ich schüttele den Kopf. »So was heißen Sie gut?«
    »Was sollen
sie denn machen?« Inga Lenz steckt sich eine Zigarette an und inhaliert tief.
»Der Polizei ist es bislang nicht gelungen, die Mädchen zu schützen. Seit
Monaten versuche ich, wenigstens ein paar Beamte zu bekommen, die die Zugänge
zum Golgatha sicherer machen sollen. Vergeblich. Das Thema wird nicht ernst
genommen. An ihrer Vergewaltigung, so heißt es landauf, landab, sind die Opfer
immer selber schuld.«
    Sie bietet
mir eine Zigarette an. Mir kommt es vor wie ein Zeichen der Versöhnung.
    »Friedenspfeife?«,
frage ich.
    »Pausenzigarette«,
antwortet Inga Lenz und gibt mir Feuer. »Sie haben doch auch eine Tochter«,
fragt sie mich, »was sagt die denn dazu?«
    »Dass
Typen, die Frauen vergewaltigen, perverse Schweine sind«, antworte ich
wahrheitsgemäß.
    »Sehen
Sie!«
    Ja, was
soll ich daran sehen? Natürlich hat Melanie recht. Vergewaltiger sind
Verbrecher, keine Frage. Und vielleicht wird sexueller Missbrauch nicht
entschieden genug geahndet. Aber deswegen kann man das Gesetz doch nicht
einfach in die Hände irgendwelcher durchgeknallter Mädchengangs legen.
    Im Übrigen:
»Nicht jeder Mann ist automatisch ein Vergewaltiger.«
    »Ach!« Sie
lächelt spöttisch. »Ist das so? Nie irgendwelche derartigen Phantasien gehabt,
Knoop?«
    »Nö.
Wieso?«
    »Sie haben
sich nur besser unter Kontrolle«, sagt Inga Lenz mit Bestimmtheit, »das ist
alles.«
    »Blödsinn«,
rege ich mich auf, »aber das ist genau Ihr Problem, Inga! Sie hassen Männer!
Und deshalb lassen Sie die Sache hier auch laufen. Obwohl die Steffens eben
nicht von Ihrem Sexualtäter umgebracht wurde. Aber das ist Ihnen egal, solange
es nur die Männerfeindlichkeit schürt. Ich weiß nicht, was genau Sie für ein
Problem mit uns haben, aber«, ich tippe mir an die Stirn, »Sie haben da echt
einen Hau. Das muss ich Ihnen mal so deutlich sagen.«
    Inga Lenz
bleibt ruhig. »Ja«, stimmt sie mir zu, »vielleicht habe ich einen Hau, wie Sie
sagen. Vielleicht habe ich eine riesengroße Macke. Mag sein.« Sie steht auf.
»Nachher auf der Abschlusskundgebung werde ich sprechen.«
    Sieh an,
denke ich nicht ohne Spott, es gibt sogar eine Abschlusskundgebung.
    »Da werde
ich die Dinge richtigstellen«, verspricht Inga Lenz, »und in aller
Öffentlichkeit darauf hinweisen, dass das Mordopfer vom Freitag ein anderer
Fall ist. Dass das nichts mit unserem Golgatha-Täter zu tun hat.«
    »Gutes
Gelingen«, wünsche ich und sehe ihr nachdenklich nach.

18    HÜNERBEIN HATTE
ALLE HEBEL in
Bewegung gesetzt. Ein großes Observationsteam war am Sonntag nicht zu bekommen,
also stattete er normale Streifenbeamte mit ziviler Kleidung aus und beorderte
sie in die Bergmannstraße. Angeblich gäbe es einen dritten Mann. Den
sogenannten großen Unbekannten. Das warf natürlich alle astrologischen
Kombinationen und Möglichkeiten komplett über den Haufen.
    »Gelateria
Tutti Frutti«, hatte der Sardsch am Telefon gemeldet, der Verdächtige sitze
links, vierter Tisch, direkt am Fenster. Ein fülliger Anzugträger mit
Stirnglatze. Und: Vorsicht, der Kerl sei bewaffnet.
    Doch als Hünerbein
mit seinen Leuten im Tutti Frutti eintraf, saßen am vierten Tisch links drei
kichernde und ganz sicher unbewaffnete Mädels, und vom Sardsch war auch nix zu
sehen. Stattdessen war auf den Straßen die Hölle los. Überall tanzten und
trommelten durchgeknallte Weiber herum und warben für ein feministisch-emanzipatorisches
Festival im Viktoriapark.
    Hünerbein
verzichtete drauf und forderte die Kriminaltechnik an. Damaschke solle noch mal
die Wohnung der getöteten Swantje Steffens auf neue Spuren überprüfen,
angeblich habe dort ein mysteriöser Mensch männlichen Geschlechts unseren
Sardsch »mit einer Browning bedroht«.
    »Echt?«
Damaschke hatte erschrocken geguckt. »Müssen wir uns Sorgen machen?«
    Tja. Wenn
Hünerbein das wüsste. Ratlos saß er im

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