Kreuzberg
sein Leben
für uns riskiert, um Deutschland die Freiheit und die Demokratie zu bringen.
Und zwanzig Jahre später heißt es plötzlich ›Schluss mit dem verbrecherischen U.S.-I mperialismus –
Solidarität mit Vietnam‹?« Ich schüttele den Kopf. »Nee. Ich konnte da nicht
mitmachen. Ging einfach nicht.«
»Was die
Amis in Vietnam gemacht haben, war trotzdem nicht in Ordnung.« Melanie setzt
sich an den Tisch.
»Mag sein«,
gebe ich zu. »Kriege sind nie in Ordnung. Andererseits: Schon mal was von den
Boat People gehört? Nicht alle Vietnamesen wollten unbedingt den
Kommunismus. – Monika!«, fordere ich sie auf. »Du bist politische
Journalistin! Sag du doch mal was.«
»Den
Vietnamesen ging es vorrangig um Selbstbestimmung und die Befreiung vom
Kolonialismus«, Monika setzt sich ebenfalls, »und da waren die Kommunisten nun
einmal die treibende Kraft. – Aber ich wollte eigentlich was ganz anderes
besprechen.«
»Au ja«,
jauchzt Melanie, der die Diskussion inzwischen sichtbar auf den Zeiger geht.
Das ist
wieder typisch für sie. Erst groß ein Thema anreißen, um dann, wenn es
komplexer wird, schnell die Lust daran zu verlieren. Wie auch immer: Vielleicht
will sie sich auch nur nicht mehr mit mir streiten.
Ȇbrigens:
Sie hat einen neuen Freund«, stecke ich Monika. »Boy!«
»Boy?«
»Eigentlich
heißt er Rüdiger.« Melanie verdreht die Augen. »Das geht ja wohl gar nicht.«
Ich feixe
drauflos. Dieser riesige Schwarze, »yoh man «, und dann Rüdiger. Ich
fasse es nicht! Ein Brüller!
»Wieso? Ich
kannte mal einen Rüdiger, der war sehr nett.« Monika beißt in ihr Pizzastück.
»Mhm, lecker!« Dann fällt ihr meine Kippa auf. »Bist du konvertiert?«
»Nein,
kahlköpfig.« Ich zeige es ihr. »Der Preis der Verbrecherjagd.«
Monika ist
entsetzt. »Was ist passiert? Warst du damit beim Arzt?«
»Ja«,
beruhige ich sie, »es ist nur eine Platzwunde. Sonst nichts. Und die Typen, die
mir auf den Kopf gehauen haben, haben wir auch gekriegt.«
»Du musst
unbedingt vorsichtiger werden«, kaut Monika, »am besten, du wechselst in den
Innendienst.«
»Niemals!«
»Du wirst
schließlich noch gebraucht.«
»Womit wir
beim Thema wären«, werde ich feierlich und sehe Melanie an.
Die guckt
verständnislos zurück. »Hat es mit mir zu tun?«
»Ja.«
Monika fasst sanft ihre Hand. »Melanie, was hältst du davon, wenn wir
zusammenziehen?«
»Supi«,
findet das Melanie, »dann krieg ich endlich die Bude hier.«
»Nicht
ganz.« Mir ist klar, dass ich ihr jetzt wieder die Laune verderbe, aber: »Denn
wir wollen alle zusammenziehen. Dich eingeschlossen.«
»Wie eine
richtige Familie«, strahlt Monika.
»Danke,
kein Bedarf mehr.« Melanie verzieht genervt das Gesicht. »Das hätte euch echt
früher einfallen müssen.« Sie winkt entschieden ab. »Zieht ihr ruhig zusammen,
aber ich bin raus aus der Nummer.«
»Auch, wenn
du noch ein Geschwisterchen bekommst?«
»Was?!«
Melanie schreit es fast.
»Ja!«
Monika nickt.
»Du und
Papa?« Sie starrt uns mit riesengroßen Augen an. »Das geht noch?«
»Das geht
wieder«, knurre ich.
»Mann!«
Melanie springt auf und kreischt herum. »Ich fasse es nicht! Ich fass es
einfach nicht – das ist total krass!«
»Sie ist
außer sich«, stellt Monika fest.
»Völlig«,
pflichte ich bei, »hab ich dir ja gesagt.«
»Wir
bekommen ein Baby, oh Gott!« Melanie schüttelt ihre langen Haare. »Ich halt’s
echt nicht aus. Wann denn?«
»Ende
Februar, schätze ich.« Monika lächelt.
»Das sieht
man dir gar nicht an.«
»Da sieht
man erst Weihnachten was«, erklärt Monika, »ich hatte schon mit dir keinen
besonders großen Bauch.«
»Und? Wird
dir jetzt immer schlecht?« Melanie ist komplett aus dem Häuschen. »Isst du
saure Gurken mit Marmelade und so? Schwangere haben doch immer so einen
seltsamen Appetit?«
Plötzlich
fällt mir dieser Boy wieder ein. Hat Melanies Interesse für Monikas
Schwangerschaft besondere Gründe? Werde ich demnächst nicht nur Vater, sondern
auch bald Opa? Will Tarzan dann auch noch bei mir einziehen?
Mir wird
ganz kalt. Worauf lasse ich mich hier ein, frage ich mich. Läuft mein Leben
nicht gerade völlig aus dem Ruder? Bin ich überhaupt noch Herr über mich
selbst?
Nein. Ganz
und gar nicht. Das Zepter haben die Mädels übernommen, und ich werde verplant.
Innendienst, Familienvater, am Ende noch ein Reihenhaus – dieser ganze
Irrsinn, den ich nie wollte –, ist das meine Zukunft?
Monika und
Melanie quasseln über
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