Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
wickele – ich könnte neidisch werden, Antonia.«
Beide Damen hatten es strikt abgelehnt, ihre Haare wachsen zu lassen. Elena, die bei ihrem Eintritt in den Orden ihre langen Flechten hatte abschneiden lassen, empfand die kurzen Haare auch nach ihrer Rückkehr in das weltliche Leben als praktisch, abgesehen davon war die Coiffure »à la Titus« derzeit für Damen en vogue. Antonia hatte sich überhaupt nicht vorstellen können, sie mehr als eben kinnlang zu tragen. Aber sie hatte sich bereit erklärt, die Locken mit Kämmen hochzustecken, was ihr schmales, fein geschnittenes Gesicht anmutig betonte.
»Madame sehen höchst vornehm aus. Ist Mademoiselle eine Verwandte von ihnen?« Der Coiffeur packte sein Handwerkszeug zusammen.
»Wie meinen Sie das?«
»Oh, pardon, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Ich dachte nur – sie wissen, diese Partie um die Augen.«
Antonia brachte ein grauenerregendes Schielen zustande, und der arme Mann ließ fahrig seine Bürste fallen. Elena gab ein entrüstetes: »Antonia!«, von sich.
»Verzeihung. Ich werde mich wohl in eines der neuen Kleider werfen müssen, nehme ich an?«
»Das cremefarbene, Liebes. Und vielleicht den grünen Shawl?«
»Na gut. Danke, Monsieur.« Antonia brachte eine angemessen herablassend grazile Verbeugung zustande und verließ Elenas Boudoir.
Sie besaß, dank Susannes Überredungskünsten und Elenas ausgezeichnetem Geschmack, inzwischen eine umfangreiche Garderobe, wie sie einer jungen Dame aus gutem Hause gebührte. Für den nachmittäglichen Besuch, der an diesem Tag anstand, war ein leichtes Leinenkleid angemessen. Es bestand aus einem gerade geschnittenen, fußlangen Hemd, über dem eine kniekurze Tunika unter der Brust mit einem grünen Band gerafft war. Feine Blattstickereien in grünen Tönen umrankten Ausschnitt und Säume. Vor dem Spiegel hatte sie das Drapieren des Shawls lange und meist unwillig üben müssen, jetzt aber gelang es ihr, dem feinen Tuch mit wenigen Handgriffen einen gefälligen Faltenwurf zu verleihen.
Nach Millis Tod war sie Elena nähergekommen, und ihre strikte Höflichkeit enthielt einen wärmeren Unterton. So hatte sie denn zugestimmt, die beste Freundin ihrer Mutter kennenzulernen, die sie an diesem Nachmittag besuchen sollte. Hier, vor dem Spiegel, gestand sie sich ein, dass sie ein klein wenig aufgeregt war. Der gemeinsame Tee mit Charlotte war ihr erster gesellschaftlicher Auftritt. Immerhin waren sie und die Waldeggs übereingekommen, noch nichts von ihrer verwandtschaftlichen Beziehung verlauten zu lassen. Diese Überraschung würden sie erst dann enthüllen, wenn Antonia sich dazu bereit fühlte.
Charlotte traf etwas verspätet ein, Elena legte ihre Stickerei nieder und stand auf, um sie mit einer leichten Umarmung zu begrüßen.
»Meine liebe Charlotte. Du siehst blühend aus.«
»Ah, und du, Elena, kühl wie eine Forelle im Teich. Wie machst du das nur, bei dieser Hitze?«
Antonia ließ ihre Stricknadeln ebenfalls sinken, stand auf und betrachtete die Besucherin. Üppig, war ihr erster Eindruck. Alles an ihr war üppig, die rotgoldene Haarpracht, ihre schwellenden, roten Lippen, der wogende Busen, das wallende Seidenkleid, der umfangreiche Shawl und der Duft von Ambra und Lilien, der sich in der drückenden Wärme im ganzen Raum entfaltete. Ihr goldgelbes seidenes Gewand rauschte, als sie sich in einen der Fauteuils fallen ließ und den bunten Kashmir-Shawl flink um sich drapierte. Ihre Augen streiften Antonia mit einem kurzen, aber sehr intensiven Blick.
»Charlotte, darf ich dir Antonia, unsere liebe Hausgenossin, vorstellen?«
Antonia machte, wie sie es gelernt hatte, ihren Begrüßungsknicks und murmelte die passenden Floskeln.
»Was für ein reizendes Kind, Elena. Wie schön für dich, etwas junge Gesellschaft zu haben. Wo du doch keine eigenen Kinder hast.«
»Ja, es ist schön, Jugend im Haus zu haben. Wie geht es meinem Cousin und seiner Familie, Liebe?«
»Karl Ludwig rafft und schafft wie üblich. Elisa hatte einen vereiterten Backenzahn, und – ah – wie sie gelitten hat!«
Sie plauderte über dies und das, aber immer wieder huschten Charlottes Augen zu dem Mädchen hin, das schweigend mit den Stricknadeln klapperte.
»Woran arbeitest du denn da, Antonia«, wollte die Besucherin schließlich wissen.
»Ich stricke Strümpfe, Mademoiselle Pfeifer.«
Perlend lachte Charlotte auf. »Stümpfe? Strümpfe strickst du? Erwarten wir einen kalten Winter?«
»Sie stickt Kinderstrümpfchen,
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