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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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wollte sich abwenden und gehen, aber Marie zeterte los: »Aber deinen Ruf wird man kennenlernen. Ein Gör, das in den Marketenderzelten aufgewachsen ist, bei Trosshuren und Zuhältern.« Man blieb stehen und hörte begeistert zu. Marie, die ihr Publikum erkannte, fuhr in ihrer Tirade fort: »Du hast dein Handwerk gründlich gelernt, Fräulein. Verführst einen alten Herrn, der dein Vater sein könnte. Oder sogar ist. Auf offener Straße, am heiligen Sonntag...«
    Die Ohrfeige klatschte vernehmlich, und Marie taumelte zurück.
    »Es reicht, Marie Stammel!«
    »Sie hat’s schon als Kind mit den Männern getrieben. Mit den Soldaten, wie ihre Mutter!«, krakeelte Marie weiter und hob abwehrend die Arme, als sich Antonia näherte. Sie rechnete nicht mit der Art des Raufens, die Toni gelernt hatte. Plötzlich wurden ihr die Beine unter dem Leib weggefegt, sie landete auf den Knien, die Eier in ihrer Schürzentasche zerbrachen und ihre Haube flog ihr vom Kopf. Ein schmerzhafter Griff in ihre Haare riss sie hoch, sodass sie in die vor Wut lodernden Augen Antonias blicken musste.
    »Es ist einzig mein Mitleid mit Pitter und seinen unschuldigen Kindern, Marie, weshalb ich dich nicht den Behörden übergebe!« Sie stieß Marie zurück, die wimmernd am Boden sitzen blieb, nahm ihre Körbe auf und ging erhobenen Hauptes durch die versammelte Menge.
     
    Noch als sie die Küchentür öffnete, schäumte sie vor Wut. Sie stellte die Körbe wortlos auf die Anrichte und stürmte, ohne Jakoba den üblichen Tratsch zu melden, in ihr Zimmer. Sorgsam schloss sie die Tür hinter sich und versuchte, zur Ruhe zu kommen. Es war weniger Maries hinterhältiger Versuch, ihr Geld abzuluchsen, sondern die Erkenntnis, in der derzeit ungeklärten Lage wirklich ein gefundenes Fressen für alle Klatschmäuler zu sein. Anfangs war sie zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich an die neue Art des Lebens zu gewöhnen, als dass sie sich Gedanken darum gemacht hätte, was die Leute dazu sagten. Sie hatten vermutlich angenommen, die Waldeggs hätten sie, ähnlich wie Elena einst die armselige Schwangere, aus Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe in ihr Haus gelassen. Sie hatten sie der Gesellschaft vorgestellt – als Hausgenossin. Nie verwendeten sie mehr als ihren Vornamen. Alle ihre Bekannten und Freunde kannten sie als Fräulein Antonia. Natürlich führte das zu Spekulationen, das wurde ihr jetzt nachdrücklich klar. Dem Coiffeur war die Ähnlichkeit mit Elena aufgefallen, Susanne ebenfalls. Über eine mögliche Vaterschaft Waldeggs hatte man bestimmt auch gemunkelt. Charlotte hatte ihre Nachforschungen angestellte, und wer weiß, wer sonst noch.
    Auf und ab schritt Antonia in ihrem Zimmer. Immer wieder auf und ab. Es konnte nicht so weitergehen. Sie konnte nicht Bälle besuchen und Teegesellschaften, ohne sich zu dem zu bekennen, wer sie war.
    Sie war nicht mehr Toni Dahmen.
    Sie war auch nicht Antonia Dahmen.
    Sie war leider nicht Antonia Waldegg.
    Aber sie war Elena Waldeggs Tochter. Wenn auch wider Willen. Die Einsicht, dass sie sich endlich dazu bekennen musste, kam ihr langsam, stetig und schmerzhaft. Aber um Waldeggs willen, der, langmütig genug, nie ihre Entscheidung erbeten oder gar erzwungen hatte, obwohl er selbst unter den kursierenden Gerüchten zu leiden hatte, musste sie die Konsequenzen ziehen. Es würde sicher einen kleinen Aufruhr geben, neugieriges Gerede über die Nonne, die ihr Kind weggegeben hatte. Aber das war lange her, und Elenas Stand in der Gesellschaft war heute ein angesehener, ihr Ruf untadelig. Mochten einige Leute sich das Maul darüber zerreißen – schon bald würde es saftigere Skandale geben, die ihre Tat in den Hintergrund treten lassen würden.
    Antonia blieb am Fenster stehen und legte den Kopf an das kühle Glas. Sie war die Tochter des Hauses. Je eher das offiziell bekannt wurde, desto schneller würden die bösen Zungen schweigen.
    Einmal den Entschluss gefasst, hatte sie nur noch den Wunsch, ihn in die Tat umzusetzen. Wie ihr der Domherr erläutert hatte, benötigte sie einen Beweis, dass Elena ihre leibliche Mutter war. Nun, da konnte wohl Elisabeths Notiz helfen, die sie kurz vor ihrem Tode niedergelegt hatte. Ansonsten würde Jakobas Zeugnis notwendig sein, und wahrscheinlich gab es auch eine Hebamme. Die allerdings mochte bestochen worden sein, denn in der Geburtsurkunde hatte diese ja angegeben, sie sei Elisabeths Kind. Blieben Franz und Jupp. Aber ob denen klar war, dass ihre Mutter gar nicht schwanger

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