Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
gearbeitete Presse, bat um eine zweite, größere und sprach weiter über frühere Expeditionen. Dass Cornelius stumm seiner Arbeit nachging, schien ihn überhaupt nicht zu stören.
»Ich lege dir den Vertrag hierhin. Steht alles drin, Dauer, Einsatz, Heuer und so weiter. Unterzeichne ihn bei Gelegenheit«, meinte er, schon im Gehen begriffen. »Du leistest gute Arbeit, Charpentier. Wir sind froh, dich hier an Bord zu haben. Ohne Zimmermann hätten wir nicht auslaufen können.«
Später las Cornelius das Papier durch. Es war ein richtiger Arbeitsvertrag, um Zwangsarbeit handelte es sich, zumindest nach diesem Schreiben, nicht. Aber er zögerte mit dem Unterzeichnen.
Ein schmächtiger Mann mit sehnigen Armen und früh sich lichtendem Haar tauchte am kommenden Morgen in der Werkstatt auf und zeigte Cornelius eine Schatulle, die lauter kleine Fächer und Schübe beinhaltete. Er brauche einen weiteren Kasten dieser Art für seine Gesteinsproben, erklärte er und stellte sich dabei als Bartholomé vor. Cornelius maß die Kiste aus und legte einige Kiefernbretter zurecht. Währenddessen erzählte der Mann von seiner Aufgabe als Vulkanologe. Er erläuterte in ruhigem Gelehrtenton, welche Theorien es zu der Entstehung der Vulkane und der Erdkruste gab, welche Gesteine vulkanischen Ursprungs waren, wie man sich die Ausbrüche der Feuerberge vorzustellen hatte und welche Untersuchungen er auf den Inseln vorzunehmen gedachte. Er kam am nächsten Tag wieder und betrachtete die Fortschritte an dem Werk zufrieden, während er einige nützliche Informationen über die Geschichte der Kanaren äußerte. Auch er ignorierte Cornelius’ wortkarges Verhalten.
Am fünften Tag, sie hatten wieder mit schwerem Seegang zu kämpfen, erschien ein älterer Mann, er mochte Mitte vierzig sein, der eine zerbrochene Pfeife in der Hand hielt.
»Charpentier, bist du in der Lage, so etwas zu schnitzen?«
Cornelius betrachtete den Pfeifenkopf, der in der Mitte gerissen war, eingehend. Dann nickte er und wählte ein passendes Stück Wurzelholz aus dem kleinen Vorrat Edelhölzer, den er an Bord gefunden hatte. Während er drechselte und schnitzte, sprach Hervé, wie der Mann genannt werden wollte, von der Fauna, die sie am Reiseziel erwartete. Er forschte als Zoologe und versprach sich Aufschlüsse über Artenentwicklung bestimmter Tiere, die auf abgelegenen Inseln lebten. Sein Vortrag war gewürzt mit unterhaltsamen Anekdoten, die er bei seinen bisherigen Forschungen erlebt hatte, und dann und wann musste sogar Cornelius lächeln.
Die Pfeife war handlich geworden, die Maserung schön herausgekommen, die Oberfläche glatt poliert. Hervé passte das Mundstück aus Bernstein ein, stopfte sie sorgfältig und sog genüsslich den Rauch ein.
»Mach mir noch eine zweite, Charpentier. Morgen. Dann erzähle ich dir etwas über die Meeresfauna, die wir antreffen werden. Ein faszinierendes Gebiet.«
Einige Tage später legte sich der Wind, sie waren in ruhigere Gewässer gekommen, und die winterliche Kälte wich frühlingshaften Temperaturen. Cornelius hatte sich an die Routine an Bord gewöhnt. Er ging seiner Arbeit nach, aß, was man ihm in die Kajüte brachte, saß abends stumm und nachdenklich an Deck und ließ seine Gedanken in die Vergangenheit wandern. Niemand störte ihn, niemand stellte ihm Fragen, niemand drängte ihn zu irgendetwas. Sein Misstrauen wurde dennoch nicht geringer. Die drei Gelehrten wussten von seiner Zeit als Kettensträfling, denn jemand hatte ihnen von seinen Fertigkeiten als Zimmermann berichtete. Er fragte sich, warum sie sich so freundlich gaben. Er galt als Verbrecher, von der Gesellschaft ausgestoßen. Wollten sie ihm denn wirklich eine Chance geben?
Jean-Luc erschien am siebenten Tag der Reise wieder in der Zimmermannswerkstatt und bat Cornelius, mit ihm auf die Brücke zu kommen, der Kapitän habe ein Problem mit einer klemmenden Tür seines Kartenschranks.
Erstmals sprach Cornelius. Mit einem schiefen Grinsen stellte er fest: »Dabei erhalte ich eine Lektion in Nautik und Navigation?«
»Durchaus denkbar.« Jean-Luc grinste ebenfalls. »Hast du einen Namen, oder möchtest du weiterhin Charpentier genannt werden?«
»Cornelius.«
Er wurde dem Kapitän vorgestellt, einem hochgewachsenen, wettergegerbten Mann von ruhigem Temperament, der ihn einige kleinere Reparaturen auf der Brücke vornehmen ließ, und bei seiner Arbeit erfuhr er in der Tat etwas über Peilung, Strömung, Wind und Wetter. Er lernte den Rest der
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