Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Teneriffa gerieten sie in einen unerwarteten Sturm, der die Takelage zerstörte und auch sonst einigen Schaden an dem Schoner verursachte. Cornelius’ Kenntnisse des Schiffsbaus kamen ihnen hier zugute. Gemeinsam hämmerten und sägten sie unter seiner Anleitung, um die zerbrochenen Planken zu ersetzen und den Mast zu reparieren. Der Kapitän sprach Cornelius seine Hochachtung für die geleistete Arbeit aus.
Im Frachtraum des Schiffes türmten sich nun die Kästen mit den gesammelten Exponaten, voll beschriebene Hefte stapelten sich auf den Borden, Skizzenmappen waren prall gefüllt. Die letzten drei Monate, den Winter über also, wollten sie auf Fuerteventura verbringen, im März würden sie zurückreisen.
Ein paar zutrauliche Vögel pickten die Krumen ihres Mahls auf, während Cornelius und Jean-Luc auf das weite Meer hinausschauten.
»Was hast du so unbedingt zu erledigen, bevor du nach Köln reist?«
»Ich muss noch einmal in die Bretagne. Dort gibt es zwei Frauen, die ich aufsuchen möchte.« Cornelius hatte zwar inzwischen wieder gelernt, Konversation zu machen, aber weder über seine Vergangenheit noch über das, was er von seiner Zukunft erwartete, hatte er mit seinen Freunden gesprochen. Jetzt aber schien es ihm an der Zeit zu sein.
»Du hast eine Liebste in Brest?«
Cornelius lachte leise. »Nein, keine Liebste. Aber ich traf dort in einer Hafenschenke eine Frau, der ich vermutlich den Aufenthalt auf eurem Schiff verdanke. Ob sie allerdings ahnte, was daraus geworden ist, weiß ich nicht. Ich habe bei euch, Jean-Luc, eine Zukunft gefunden. Bei ihr aber habe ich den Mann in mir wiederentdeckt. Ihr habt mir eine Heuer als Schiffszimmermann gezahlt, aber ich habe wenig davon verbraucht. Ich möchte ihr das Geld geben, denn ihre Verhältnisse schienen mir recht ärmlich. Vielleicht hilft es ihr, ein anständiges Leben zu führen.«
Jean-Luc sah ihn mit einiger Verwunderung an. »Lieber Freund, das ist eine großmütige Tat.«
»Weniger, als du denkst. Ich komme schon zurecht, wenn ich nur eine Summe für die Rückreise behalte.«
Versonnen lächelnd sah Jean-Luc in das ferne Blau, dort wo der Horizont mit dem Meer verschmolz.
»Und die andere Frau?«
»Beatrice de Keroual. Ich habe es meinem Kettenpartner versprochen, sie aufzusuchen. Ich hoffe, ich finde sie. Ich habe ihm viel zu verdanken.«
»Du wirst sie finden, und Bice wird dir für dein großes Herz an jedem Sonntag eine Kerze anzünden, Cornelius.«
»Bice? Du kennst die Frau im Hafen?«
»Ja, ich kenne sie.«
»Offensichtlich recht gut?«
»Ja. Sei versichert, deine Absicht, ihr deine Heuer zu geben, ehrt dich über alle Maßen. Aber Bice braucht dein Geld nicht.«
»Aber als ich sie traf...«
»Als du sie trafst, spielte sie die heruntergekommene Hafenhure. Sie schlüpft gerne in verschiedene Rollen, vor allem, wenn sie damit etwas erreichen will. Aber, Cornelius, du magst zwei Frauen suchen, finden wirst du nur eine.«
Cornelius starrte ihn verblüfft an.
»Wer ist Bice, Jean-Luc?«
»Meine Schwester. Beatrice Antoinette de Keroual.«
Cornelius war jetzt völlig verwirrt. »Deine Schwester?«
»Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, denjenigen, die aus dem Bagno entlassen werden, eine Chance zu vermitteln, in ein geregeltes Leben zurückzukehren. Da sie weiß, wie orientierungslos manche Männer sind, nachdem sie die strenge Zucht der Strafanstalt verlassen haben, tritt sie ihnen als arme Schlampe entgegen, um sie nicht abzuschrecken.« Jean-Luc grinste ihn an. »Wie hättest du denn auf eine vornehme Dame aus dem Wohlfahrtskränzchen reagiert, die dir eine Reise zu den Kanarischen Inseln angeboten hätte?«
»Ihr wortlos den Rücken zugedreht. Aber, mein Gott, ihr Vorgehen ist doch unsagbar gefährlich. Sie kann vergewaltigt und verletzt werden.«
»Keine Sorge, es sind immer Männer um sie, die sie beschützen. Dafür sorge ich schon. Und die ihre – ähm – Opfer anschließend abtransportieren. Gewöhnlich allerdings, Cornelius, macht sie sie lediglich betrunken und geht nicht mit ihnen ins Bett.«
»Ihr packt die so genannten Opfer dann auf ein Schiff?«
»Nein, wir bringen sie auf ihr Gut, wo sie bei den Handwerkern Arbeit finden. Auf dich aber hat sie besonders gewartet. Wir wussten, dass du freikommen würdest – gute Beziehungen zur Admiralität hat Beatrice nämlich auch. Daher warteten wir mit dem Auslaufen, bis sie dich so weit hatte.«
»Großer Gott, aber warum?«
»Sie kannte deine Rolle als Pierres
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