Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Referenzen und alles. Gezahlt hat sie mir schon lange keinen Lohn mehr. Und nun habe ich nicht einmal mehr ein Dach über dem Kopf.«
»Was stellst du dir vor, dass ich tun könnte?«
»Vielleicht kennen Sie jemanden, der ein Dienstmädchen braucht? Ich übernehme jede Arbeit, Fräulein Antonia. Ich bin nicht wählerisch. Aber die Tage werden kälter.«
Antonia rang mit sich. Maddy war ihr unscheinbar vorgekommen, als sie bei Stammels wohnte, aber ein paar Mal hatte sie ihr geholfen – ihr ein paar Bissen zusätzlich zugeschoben, ihre Wäsche unaufgefordert gewaschen und über ihre Verkleidung geschwiegen, die sie dabei entdeckt hatte, und ihr, als sie krank war, heißen Tee gebracht. Andererseits – hatte möglicherweise Marie sie losgeschickt, um sie weiter auszuforschen?
Antonia betrachtete das Mädchen eindringlich. Ihre Jacke war ihr zu groß und ungeschickt geändert, der Rock zipfelig und am Saum schmutzig. Sie fror. Mitleid kroch in ihr Herz. Sie wusste, wie man sich fühlte, wenn man plötzlich ganz auf sich gestellt war.
»Wie alt bist du, Maddy?«
»Zwanzig. Aber ich weiß, das glaubt mir keiner.«
»Nein, das glaubt dir keiner. Für zwölf gehst du gerade so durch. Wie lange warst du bei Marie?«
»Drei Jahre.«
»Und vorher?« Als Maddy seufzte, erklärte Antonia: »Ich kann dir nur helfen, wenn du ehrlich bist.«
»Ja, darauf haben Sie wohl ein Recht. Aber es ist eine lange Geschichte.«
»Gut, dann begleite mich jetzt nach Hause. Dort erzählst du Jakoba und mir diese lange Geschichte.«
Die Köchin mit ihrer Menschenkenntnis würde das Mädchen richtig einschätzen. Außerdem war es in der Küche wärmer, als hier auf dem zugigen Markt.
Jakoba betrachtete Maddy mit einem durchdringenden Blick, reichte ihr aber eine Tasse süßen Tee und ein Stück Honigkuchen.
»Also, wo warst du vor den Stammels?«
»Meine Mutter war die Haushälterin einer Dame – na ja, nicht wirklich einer Dame, sondern einer, die von verschiedenen Herren ausgehalten wurde. Sie war am Theater, verstehen Sie? Bei ihr wuchs ich auf und übernahm die ersten kleinen Aufgaben. Ich lernte eine Menge über Kleider und Frisuren und auch über das Schminken. Aber als ich dreizehn war, starb meine Mutter, und die neue Haushälterin wollte mich nicht. Aber die Dame hatte Freundinnen. Ich trat bei einer in Dienst. In einem großen Haus.«
»Einem Hurenhaus«, stellte Jakoba trocken fest.
»Ja. Als Zimmermädchen, Zofe, Coiffeuse...«
»Als Hure?«
»Manche Männer mögen kleine Mädchen...« Antonia murmelte einige französische Derbheiten, die Maddy plötzlich ein Grinsen entlockten. »Ja, Fräulein Antonia. So sehe ich das auch.«
»Du hast das verstanden?«
»Man schnappt das eine oder andere auf. Ich kann aber auch vornehm parlieren, Mademoiselle.«
Jakoba mischte sich ein. »Was wollen Sie mit dem Mädchen anfangen, Fräulein Antonia?«
Maddys schonungslose Ehrlichkeit hatte sie betroffen gemacht. Mochten die Leute schlecht von ihr denken, wenn sie von ihrer Herkunft erfuhren, die Kleine war nicht selbst verschuldet in diesen Kreislauf geraten. Sie fragte: »Wie bist du an Marie gekommen?«
»Pitter. Er kam manchmal in das Haus. Nicht wegen mir. Ich habe ihm eher leidgetan. Er wollte für Marie eine Hilfe, als sie schwanger wurde. Und ich wollte da weg. Aber Sie wissen schon, ohne Referenzen... Jetzt sitze ich wieder ohne Empfehlungsschreiben da.«
»Wie wollen Sie es der gnädigen Frau verkaufen, Fräulein Antonia?«, fragte Jakoba. Da die Köchin keine Einwände gegen Maddy hatte, entspannte Antonia sich etwas.
»Als Geburtstagsgeschenk. Ihr liegt mir alle ständig damit in den Ohren, ich solle eine vornehme junge Dame werden. Also brauche ich eine Zofe. Verstehst du dich auf diese Dienste?«
»Ja, natürlich, gnädiges Fräulein!«
»Gut. Wenn ich dich nur ein einziges Mal erwische, dass du Marie irgendetwas zuträgst, Maddy, dann ziehe ich dir mit dem stumpfen Kartoffelmesser eigenhändig die Haut ab. Verstanden?«
»Ja, gnädiges Fräulein.«
»Deine Vergangenheit wirst du tunlichst nicht wieder erwähnen.«
»Nein, gnädiges Fräulein.«
»Ich werde jetzt mit meiner Mutter darüber reden. Sie hat das letzte Wort in dieser Angelegenheit.«
»Ihre Mutter?«
»Die gnädige Frau, Maddy«, erklärte Jakoba trocken.
»Das... Oh...«
Antonia konnte sich ein spöttisches Grinsen nicht verkneifen. »Es ist etwas anders, als Marie dachte, nicht wahr?«
»Ja, und, bitte verzeihen Sie mir.
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