Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Schwester?«
»Weil ich, als ich vor anderthalb Jahren in dieses Haus kam, ziemlich genau in dem gleichen mistigen Zustand war wie du jetzt. Ich weiß, wie man sich da fühlt. Jetzt schlaf, Cornelius. Und – willkommen zu Hause!«
DRITTER TEIL
Die Söhne des Domherrn 1808-1810
Nicht Fleisch und Blut, das Herz macht uns zu Vätern und zu Söhnen.
Schiller
Maximilian zeichnet
Der hohe Dom zu Köln!
Die deutsche Herrlichkeit
Ging unter mit der Zeit;
Wer dacht’, in solchem Grau’n,
Daran, ihn auszubaun,
Den hohen Dom zu Köln!
Der Dom zu Köln, Rückert
1808, im Dom zu Köln: Es war eine mühselige Arbeit, die er übernommen hatte. Maximilian Fuchs stand im Chor des Domes und trug die Maße einer Säule in die Skizze ein, die ihm als Grundlage für die maßstabgerechte Zeichnung dienen würde.
Sulpiz Boisserée, dieser junge, reiche Kunstfreund, hatte ihn mit der Aufgabe betraut, Pläne der bestehenden Teile der Kathedrale zu zeichnen, ja, er hatte sich sogar selbst daran beteiligt, doch seine labile Gesundheit machte ihm wieder zu schaffen, darum arbeitete Fuchs alleine an dem Werk, das ihm wahrhaft ehrgeizig erschien. Er fragte sich, was den gerade erst sechsundzwanzigjährigen Mann aus der reichen Kaufmannsfamilie de Tongre antrieb. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, Schnitte und Aufrisse des Doms in einem Buch zu veröffentlichen, um damit für die Unterstützung der Fertigstellung des monumentalen Bauwerks zu werben. Mochte der Kuckuck wissen, bei wem.
Andererseits – es gab keine mittelalterlichen Bauhüttenzeichnungen mehr. Die Pläne der alten Meister waren verschollen, und damit ein Architekt auch nur den ersten neuen Bogen einzeichnen konnte, musste eine Bestandsaufnahme des halbfertigen Gebäudes gemacht werden. Fachmännisch, nicht wie der alte Crombach-Stich, der nur das Prinzip des Gebäudes zeigt. Es handelte sich eben nicht um ein schlichtes Haus, das jeder Maurer hochziehen konnte, sondern um ein Kunstwerk der Steinmetzarbeit. Jede Säule hatte ein bestimmtes Profil, jeder Pfeiler seine besondere Rundung. Als besonders diffizil würde sich das Erstellen der Gewölbe erweisen. Je länger Maximilian Fuchs an den Aufmaßen zeichnete, desto größer wurde seine Achtung vor den Männern, die Jahrhunderte vor ihm derart präzise das gewaltige Gebäude geplant hatten. Und vor den Fachleuten, die diese Planung umgesetzt hatten.
Die Zeichnungen des bestehenden Gebäudes waren jedoch erst der Anfang. Bei Weitem das gewagteste Unterfangen würde es werden, daraus die fehlenden Teile zu rekonstruieren. Boisserée musste wahrhaft Visionen haben, wenn er Quer- und Langhaus daraus ableiten wollte. Noch größere Anforderung stellten die beiden Türme. Zum Glück waren die Fundamente gelegt, eine ungeheure Arbeit hatten die Menschen im Mittelalter da bereits geleistet.
Maximilian Fuchs machte seine letzten Eintragungen und beschloss, es müsse jetzt ausreichen, um mit dem Querschnitt des Chors zu beginnen. Wenn seine Vorzeichnung fertig war, würde ein Kupferstecher sich ihrer annehmen und sie für den Druck aufbereiten.
Der erste Schritt war getan.
Wiedererkennen
Leise sinkend faltet sich die Wange;
Jede meiner Blüten welkt und fällt.
Herz, ich muss dich fragen: Was erhält
Dich in Kraft und Fülle noch so lange?
An das Herz, Bürger
»Bleib mir mit dem Messer vom Leib!«, fuhr Cornelius Antonia an, die mit einer Schüssel heißen Wassers und dem Rasierzeug des Domherrn in sein Zimmer gekommen war.
»Du kannst mir vertrauen, ich kann sehr wohl damit umgehen.«
»Gerade das befürchte ich ja.«
Mit schräg gelegtem Kopf betrachte sie ihn und nickte. »Die Versuchung ist groß, dir einfach die Kehle durchzuschneiden. Die Welt wäre um eine Plage ärmer.«
Nach drei Tagen Bettruhe und gutem Essen ging es Cornelius erheblich besser. Er wollte aufstehen, irgendetwas unternehmen, sich in der Stadt umschauen, möglicherweise alte Bekannte aufsuchen, neue Kleider kaufen und vieles mehr. Aber diese verflixte kleine Kratzbürste verlangte, er solle im Zimmer bleiben, hatte ihm einen Stapel Bücher auf den Tisch geknallt und ihn aufgefordert, seinen verdorbenen Charakter durch die Lektüre gehobener Literatur zu läutern.
Na gut, es waren liebe alte Freunde, die er da in die Hand nahm. Zerlesene Bücher mit seinem eigenen Exlibris auf dem Vorblatt, die er als Junge verschlungen hatte. Die Zeit verflog schnell mit ihnen, und erstaunlicherweise fand sich dieses
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