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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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durch die Tür trat.
    »Da ist unser Heimkehrer«, stellte Antonia vor. »Cornelius, mach deine Verbeugung vor Sarah Susanne Bernsdorf.«
    Er hatte Mühe, die Besucherin nicht unhöflich anzustarren. Sie war reifer geworden, nicht mehr das eben den Kinderschuhen entwachsene Mädchen, sondern eine äußerst wohlproportionierte junge Dame mit langen, goldblonden Ringellocken und warmen braunen Augen in einem süßen Gesicht. Diese Augen betrachteten ihn eingehend und mit intensiver Neugier.
    »Ihre Gebete, Fräulein Bernsdorf, scheinen Wirkung gezeigt zu haben. Ich stehe in tiefer Dankesschuld bei Ihnen.«
    »Vielleicht halfen sie, aber Sie selbst werden das Ihre dazu getan haben, nicht unterzugehen. Nehmen Sie doch Platz.«
    Er setzte sich etwas entfernt von Susanne nieder und fühlte sich unbehaglich. Es war lange her, dass er sich in vornehmer weiblicher Gesellschaft befunden hatte. Abgesehen davon wusste er nicht, worüber er sich mit ihr unterhalten sollte. Sie enthob ihn allerdings dieser Schwierigkeit und plauderte munter über das wechselhafte Aprilwetter, das Theaterstück, das sie unlängst gesehen hatte, und ihre Hoffnung, bald frische Erdbeeren naschen zu können.
    Antonia schwieg. Sie hatte dieses Treffen auf Susannes Wunsch hin ermöglicht, die, sowie sie von Cornelius’ Eintreffen gehört hatte, überschwänglich darum gebeten hatte, ihn sehen zu dürfen. Sie hoffte, ihre Freundin würde nicht einem Anfall heftigster Verliebtheit unterliegen, denn instinktiv fühlte sie, dass ihr Bruder zu viel durchgemacht hatte, um einer solchen Schwärmerei ausgesetzt zu werden. Sie wollte aber auch nicht, dass Susanne enttäuscht wurde.
    Sie selbst hatte sich, seit sie den erschöpften, fiebernden Mann auf der Straße aufgelesen hatte, eine Menge Gedanken über ihn gemacht, und ihre Gefühle ihm gegenüber waren weiterhin zwiespältiger Natur. Er war rücksichtslos dem Domherrn gegenüber gewesen und hatte dessen Güte schändlich missbraucht. Das verzieh sie ihm nicht. Falschspielen war in ihren Augen eher ein Vergehen als ein schweres Verbrechen, das zwar auf einen raffgierigen und verlogenen Charakterzug hindeutete, in diesem Fall aber unangemessen streng bestraft worden war. Er hatte im Bagno überlebt, das deutete mit Sicherheit auf eine gewisse Brutalität hin. Wie Männer unter harten Bedingungen miteinander umgingen, hatte sie selbst miterlebt. Sie fragte sich, wie weit er manchen menschlichen Regungen gegenüber abgestumpft sein mochte. Er verlor kaum ein Wort über diese Zeit, was sie respektierte. Sie konnte sich jedoch das eine oder andere zusammenreimen, denn sie hatte die Narben an seinem Körper gesehen – nicht nur das Brandmal und die Spuren der schweren Ketten, auch andere Verletzungen, die auf körperliche Auseinandersetzungen schließen ließen. Andererseits war er mit drei Forschern von einigem Ansehen über ein Jahr umhergereist und hatte sich ein fundiertes Wissen angeeignet, soweit sie es beurteilen konnte. Wenn er von seinen Erlebnissen aus dieser Zeit erzählte, tat er es in leichtem Ton und mit amüsanten Anekdoten geschmückt.
    Daneben war da die Art und Weise, wie er mit ihr umging. Antonia gestand sich ein, dass sie die Kabbeleien mit ihm genoss. Es erinnerte sie an ihr Zusammenleben mit den Zwillingen, die sie in Gedanken noch immer ihre Brüder nannte, Jupp und Franz. In ihrer jetzigen Stellung gab es nichts Vergleichbares. Die jungen Männer der Gesellschaft würden es nie wagen, mit einer Dame über Männerthemen zu sprechen, noch erlaubten sie sich, raue Späße zu machen. Und Bildung setzten sie erst recht nicht voraus. Gut, François Joubertin war eine Ausnahme, er unterschätzte ihr Intelligenz nicht. Aber nie würde er seine guten Umgangsformen vergessen.
    Es war nicht so, dass Cornelius die seinen in ihrer Gegenwart vergaß, zumindest was ihrer Vorstellung von Anstand entsprach. Wenn er sie auch aufzog, beschimpfte oder anknurrte, er verletzte sie nie, und er trat ihr nie zu nahe. Sie hielt sich ebenfalls daran, und im Grunde fand sie es sehr leicht, mit ihm auszukommen. Zwar war er vierzehn Jahre älter als sie, aber im Gegensatz zu den anderen Herren in seinem Alter legte er weder die geistige noch die körperliche Behäbigkeit eines Dreißigjährigen an den Tag. Sein Auftreten war ungezwungen, seine Bewegungen ließen eine verhaltene Energie vermuten, die ihn weit jünger, manchmal sogar gefährlich erscheinen ließen. Hin wie her, Cornelius füllte eine Lücke in Antonias

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