Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
recht. Ich höre mich auf meine Weise mal um. Der Gasthof ist ganz nett, und die Leute sind gesprächig, wenn man es richtig anfängt.«
Als sie eine Woche später abfuhren, wuchs auf Pater Emanuels Grab ein Rosenbusch.
Sie erreichten Altenkleusheim unbehelligt und fuhren vor der großen Umspannstation vor. Wie zu jener Zeit, als Antonia zum ersten Mal in dem Dorf war, herrschte reger Betrieb. Die Altenkleusheimer verdienten sich überwiegend ihren Lebensunterhalt im Fuhrgewerbe, vor allem mit dem Vorspann, also den Zusatzpferden oder Zugochsen, die notwendig waren, um das bergige Gebiet Richtung Norden zu überqueren. Viele Reisende und Transporteure warteten hier auf die Weiterfahrt, und der Wirt bedauerte, ihnen kein Zimmer anbieten zu können.
»Junge Frau, Sie können nicht mit den Kutschern und Fuhrleuten in der Stube übernachten. Das dulde ich nicht!«
»Ich will es auch gar nicht. Aber ich möchte unseren Wagen in Ihrem Hof abstellen, wir können dort übernachten, wenn wir den Brunnen und die Tränke nutzen dürften. Und Essen aus der Küche erhalten.«
Es gab einiges Hin- und Hergerede, aber schließlich erklärte der Wirt sich mit dem Arrangement einverstanden und wollte nur die Miete für das Pferd haben.
Sie richteten sich in einer abgelegenen Ecke ein, und Antonia suchte das Pfarrhaus auf, um nach dem Seelsorger der Gemeinde zu fragen. Es war eine Enttäuschung – Pfarrer Lambert war inzwischen verstorben. Zuständig war nun der Neuenkleusheimer Geistliche, der nur gelegentlich vorbeikam, um die Messe für die knapp zweihundert Einwohner des Dorfes zu lesen. Man erwartete ihn am kommenden Sonntag. Das waren also noch vier Tage hin, weshalb Antonia beschloss, ihn am nächsten Tag aufzusuchen.
Sie erinnerte sich an den Weg nach Neuenkleusheim, während sie unterwegs war. Auf ihren Streunergängen vor nun fast sieben Jahren hatte sie auch diese Gegend erkundet. Weit war es nicht, kaum eine Stunde, und am späten Vormittag stand sie vor der Kirche mit dem runden Barockturm. Daneben befand sich das Pfarrhaus, das als Dorfschule genutzt wurde; aus den Fenstern schallten Kinderstimmen, die das Alphabet gemeinsam aufsagten. Sie klopfte an der Tür. Eine dralle Frau in feuchter Schürze und widerspenstigen grauen Locken, die unter einer gestärkten Haube hervorquollen, öffnete ihr.
»Der Herr Pfarrer ist zu einem Sterbenden gerufen worden. Der Bert ist’s, vierundneunzig dies Jahr, aber der Winter hat seine Lunge angegriffen. Es ging schon gestern mit ihm zu Ende.«
»Dann werde ich besser morgen wiederkommen.«
»Ach was, das wird nicht lange dauern. Mittags hat der Herr Pfarrer nämlich immer Hunger. Kommen Sie herein, Fräulein, wenn Sie’s nicht stört, dass ich dabei bin, die Wäsche einzuweichen.«
Antonia nickte und wurde in eine geräumige Küche geführt, wo es nach frischem Brot roch. Auf dem Herd köchelte ein Fleischtopf. Unaufgefordert setzte die Haushälterin ihr einen Becher Most und ein Stück Mohnkuchen vor.
Antonia brauchte nicht lange zu warten, denn pünktlich, als die Kirchenglocke das Mittagsgeläut anstimmte und die Schulkinder mit Gelärm und Geschrei aus dem Unterricht stürmten, trat der Pfarrer in die Küche.
»Ah, ein Gast«, begrüßte er Antonia freundlich. »Emilie kündigte Sie mir bereits an. Willkommen in meinem Heim!«
Joseph Krauskopf machte nicht nur seinem Namen alle Ehre, er war auch sehr viel jünger und sah erheblich besser aus, als sie es erwartet hatte. Braune Locken ringelten sich um ein wahres Adonisgesicht, er war groß und schlank und hielt sich aufrecht. Seine Soutane hatte er über den Arm gelegt, unter dem geistlichen Gewand trug er einen erstaunlich modischen Rock.
»Ja, Ihre Haushälterin war so nett, mich hier warten zu lassen. Ich habe nämlich einige Fragen an Sie, die Ihren Vorgänger in Altenkleusheim betreffen.«
»Nun, zuerst werden wir uns stärken. Ah, Hasenragout. Wundervoll. Aber wir werden uns selbst bedienen müssen, Emilie ist schon fort.«
»Das macht nichts. Kommen Sie, ich helfe Ihnen, den Tisch zu decken.« Mit sichtlichem Genuss ließ sich der junge Pfarrer bedienen. Antonia füllte ihm den Teller und goss ihm den Wein ein, den er aus dem Keller geholt hatte. Während des Essens machten sie belanglos Konversation, und nach einem weiteren Stück Mohnkuchen, der als Dessert bereitstand, nahmen sie in einem ziemlich vollgestellten Wohnzimmer Platz. Sie berichtete ihm, woher sie kam und wonach sie suchte und die
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