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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Heiratsantrag gemacht. Und mir die Fingerspitzen geküsst.«
    »Was glaubst du denn, warum er dich heiraten will? Deiner Fingerspitzen wegen?«
    »Nein, aber er würde mich nie lüstern anschauen.«
    Maddy lachte noch einmal. »Philipp Wittgenstein schaut dich lüstern an.«
    »Der kann nicht anders, der schaut jede Frau so an, als müsste er unbedingt wissen, was sie unter dem Hemd trägt.«
    »Und der Sohn des Bankiers, der französische Leutnant, der junge Levy, der...«
    Unbehaglich wand sich Antonia unter ihren Decken. Dummerweise musste sie ihrer Freundin zustimmen. Es gab Dinge, die sie bisher nicht hatte bemerken wollen. Aber heute war sie dem das erste Mal in ihrem Leben ganz handgreiflich ausgesetzt gewesen.
    Wieder hatte sie ein kleines Stück Unschuld unwiederbringlich verloren.
    »Vielleicht hast du Recht, Maddy. Ich werde es zukünftig bedenken. Irgendwie habe ich die Männer immer als Kameraden oder Brüder betrachtet.«
    »Ich werde dich, wenn nötig, darauf hinweisen, wenn sich einer anders verhält.«
    »Tu das.«
    Aber Maddy verriet Antonia nicht, dass sie einen kannte, der sie manchmal mit ganz anderen als brüderlichen Blicken betrachtete. Das sollte sie lieber selbst herausfinden.
    Irgendwann. Vielleicht.

Bettler und Midinetten
     
    Auprès de ma blonde,
Qu’il fait bon, fait bon, fait bon,
Auprès de ma blonde,
Qu’il fait bon dormir.
    Volkslied
     
     
    Die Dämmerung in Paris war tatsächlich blau, hier zwischen den hohen Häuserwänden. Der Himmel war noch hell, aber die langen Schatten verdunkelten die Ecken und Winkel und nahmen der Umgebung ihre Hässlichkeit.
    Cornelius liebte diese Stunde zwischen Abend und Nacht, und er verbrachte sie an dem seltsamsten Ort, den man sich für einen jungen, aufstrebenden Verleger denken konnte. Er rauchte seine Pfeife nämlich an diesem warmen Maiabend auf einer zerschrammten Holzbank im Hinterhof eines Mietshauses im Quartier Latin und beobachtete vier Katzen, die sich um einige Fischschwänze balgten. Diese Schwänze waren sein Beitrag zum Gesellschaftsleben der gemischten Gruppe. Eigentlich gehörten zum Hof nur drei Katzen. Eine zierliche schwarze mit weißen Pfoten und einem pikanten weißen Strich über der Nase, eine junge, aber große schildpattfarbene und ein Grautiger mit hellem Schnäuzchen. Heute war ein Eindringling gekommen, ein gestromter Geselle mit eingerissenem Ohr, der versuchte, der jüngsten Kätzin ihre Beute abspenstig zu machen. Er hatte sie schon einmal über die Aschenkästen gehetzt, und als er sie erneut anspringen wollte, warf sich die Schwarze todesmutig dazwischen und verpasste ihm einen Krallenhieb. Kreischend stellte er sich auf die Hinterpfoten und machte Drohgebärden, aber die zierliche musste ihm eine derart tödliche Beleidigung an den Kopf geworfen haben, dass er aufgab und knurrend von dannen zog. Cornelius grinste und dachte an Antonia. Es war ganz ihr Stil.
    Nicht zum ersten Mal bedauerte er, sie nicht mitgenommen zu haben. Es hätte sie aus ihrer Trauer reißen können. Aber der Gedanke war ihm zu spät gekommen.
    Jetzt saßen die drei Katzen friedlich zusammen und verzehrten die Fische.
    Es tat ihm gut, nach einem anstrengenden Tag etwas Zeit allein zu verbringen, keine gezwungene Geselligkeit zu pflegen, keine höflichen Gespräche zu führen, noch nicht einmal mit guten Freunden plaudern zu müssen. Es tat gut, zu schweigen und den Hofkatzen zuzusehen. In der blauen Dämmerung war es leicht, die Gedanken zu ordnen und die Ereignisse des Tages mit Abstand zu betrachten.
    In den Fenstern über ihm wurde das eine oder andere Licht angezündet, und aus dem oberen Stockwerk erklang die raue, aber erstaunlich musikalische Stimme einer Frau, die eines der gängigen Chansons sang. Ein Mansardenfenster ging auf, und der Bewohner des dahinterliegenden Zimmers goss die Blumentöpfe, in denen er seine Kräuter zog. Daneben hängte jemand mit gewagten Verrenkungen kleine Wäschestücke auf die Leine, die sich zwischen den Fenstern spannte. Im Untergeschoss neben der Hofeinfahrt zeterte die Concierge wie üblich mit einem der Mieter.
    Cornelius war vor einer Woche in ein winziges möbliertes Appartement eingezogen. Es gehörte einem Angehörigen der Sorbonne, der derzeit eine Exkursion in die Alpen unternahm. Die ersten Tage hatte ihn Hervé aufgenommen, liebevoll wie den sprichwörtlichen verlorenen Sohn, aber er wollte die Gastfreundschaft der Familie, die mit drei Kindern in einer engen Wohnung lebte, nicht über

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