Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
den Geschäftsmann: »Seien Sie sich bei allen Verhandlungen mit ihm darüber im Klaren, dassjede seiner Handlung von Eigennutz bestimmt ist. Er scheut vor Verrat und Untreue nicht zurück.«
»Sie sind sehr jung, Fräulein Antonia. Glauben Sie, Sie dürften sich darüber ein Urteil erlauben?«
»Ich darf, Herr Geißler. Ich habe ihn als Kommissär von seiner übelsten Seite kennengelernt.«
»Das Leben ist hart, und im Kampf um eine Position am Markt muss man oftmals rücksichtslos auftreten. Sie werden kaum einen Unternehmer finden, der eine blütenreine Weste hat, Fräulein Antonia.«
»Das mag sein. Ich habe Sie lediglich darauf hingewiesen, im Umgang mit ihm Vorsicht walten zu lassen.«
Jonathan Geißler erlaubte sich ein schmallippiges Lächeln. »Ich bin den Umgang mit seinesgleichen gewöhnt. Dennoch, danke für Ihren Hinweis. Ich denke, ich werde nicht über Gebühr hinaus mit ihm gesellschaftlich verkehren. So sympathisch ist er mir auch wieder nicht.«
»Und seine Gattin hat böse Augen«, ergänzte seine Tochter. »Aber sprechen wir von anderen Dingen.«
Sie hatten vielerlei Themen, über die sie sich unterhalten konnten, und zwischen Antonia und Marianne entwickelte sich eine aufblühende Freundschaft.
Cornelius war vorausgeritten und hatte ihr Kommen angekündigt. Daher empfing Elena ihre Tochter mit ruhiger Fassung. Sie sah besser aus als vor einem Jahr, fand Antonia. Sie hatte die tiefsten Täler der Trauer durchwandert und ihr inneres Gleichgewicht wiedergefunden. Sie hörte von ihr kein Wort des Vorwurfs, sondern nur ein herzliches Willkommen.
Zwei Wochen später hatte sich das Zusammenleben etabliert. Elena widmete sich weiteren Aufgaben in der Charité maternelle, die sie häufig außer Haus führten, Antonia übersetzte ein neues Manuskript für Cornelius, Maddy, weiterhin wortkarg und unglücklich, zog wieder in ihre Kammer und befleißigte sich mit strenger Zurückhaltung ihrer Zofendienste. Nur Jakoba hatte Antonia, als sie das erste Mal wieder in die Küche kam, ernsthaft ausgeschimpft.
»Sie haben das Unglück Ihrer Frau Mutter noch vermehrt, Fräulein Antonia. Sie glaubt, sie könnten sie nicht leiden. Mag ja sein, dass sie auf ihre Art manchmal ein bisschen schwierig ist, aber einfach wegzulaufen, das war schon ein arger Streich.«
»Ja, Jakoba, das war es. Aber damals dachte ich, es wäre der einzige Weg.«
»Ja, Liebelein, aber er war feig, nicht wahr?« Jakoba hatte sich die feuchten Hände abgetrocknet und zog das Mädchen an ihre Brust. Antonia legte ihre Stirn an ihre Schulter und nickte. »Also gut, Mamsell, dann wollen wir das mal vergessen. Ich habe hier ein paar Bratwürste, die Ihnen bestimmt munden werden. Die gnädige Frau hat extra angeordnet, dass Sie essen sollen, was Ihnen schmeckt.«
»Ich hätte da noch ein paar neue Rezepte.«
»Ah, die probieren wir in den nächsten Tagen aus. Übrigens – geben Sie ein wenig Acht, wenn Frau Charlotte Kormann zu Besuch kommt. Sie hat es sich zur Angewohnheit gemacht, einmal in der Woche zum Tee zu erscheinen. Ich habe sie im Verdacht, ein paar böse Geschichten über Sie in Umlauf gebracht zu haben.«
»Das befürchtete ich schon. Man kann nicht viel machen, Jakoba. Was hat sie meiner Mutter erzählt?«
»Nichts, soweit ich weiß. Aber sie hat verschiedenen Damen gegenüber Ihren lockeren Lebenswandel angedeutet. Sie hat wohl auch etwas über Ihre ersten Monate in Köln herausgefunden, als Sie bei den Stammels wohnten.«
»Ratten und Kakerlaken!«, fluchte Antonia, und ihr altes Selbst kam nach langer Zeit wieder zum Vorschein.
»Es schmerzt die Gnädige mehr als Sie, denken Sie daran.«
Die üble Saat war tatsächlich Anfang April aufgegangen.
Cornelius war am Freitagnachmittag von der Druckerei gekommen und hatte einen Probeabzug mitgebracht, den er Antonia zum Lesen geben wollte. Sie saß, wie üblich, in der Bibliothek am Schreibtisch des Domherrn, und schrieb säuberlich einen übersetzten Text ab. Ihr Mittelfinger war tintenschwarz und die Feder in ihrer Hand reichlich gezaust.
»Wirst du das für mich Korrektur lesen, Toni? Wir haben es gestern gesetzt.«
»Natürlich.« Sie legte die Feder beiseite und wischte sich die Finger an einem Lappen ab. Vorsichtig nahm sie den ungeschnittenen Doppelbogen und warf einen Blick darauf.
»Oh! Du hast mich ja als Übersetzerin direkt neben dem Autor genannt.«
»Natürlich. Oder möchtest du lieber, dass es unter einem Pseudonym erscheint? Du könntest
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