Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
geblähten Segeln genommen. Diese Frau war eine aufgeblasene, selbstsüchtige Schneiderpuppe mit den Geisteskräften eines schwindsüchtigen Karnickels. Pah! Konnte Cornelius ihr gram sein, so lange er wollte, davon rückte sie nicht ab.
Es betraf ja nicht ihr eigentliches Problem. Eine Chance hatte sie vertan, das wusste sie inzwischen. Hätte François nicht Marianne geheiratet, hätte sie wohl seinen Antrag angenommen. Er war, wenngleich nicht ihre große Liebe, so doch ein guter Freund. Mit ihm verstand sie sich auf allen Ebenen, und vermutlich hätte es auch im Ehebett keine Enttäuschung gegeben. Marianne jedenfalls sah glücklich und sehr zufrieden aus. Aber was vorbei war, war nun vorbei.
Manchmal dachte sie auch an David. David, der Mann, der ihr ihren ersten Kuss geschenkt hatte und das erste kleine Flattern in ihr entfachte. Wenn der Sommer vor zwei Jahren nicht so tragisch geendet hätte... Aber dann war der Domherr gestorben, und für lange Monate war ein Gedanke daran, sich zu verlieben, ihr überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Die jungen Herren der Gesellschaft, die sie jetzt umwarben, erschienen ihr so farblos und ohne Esprit. Die älteren, die es ebenfalls taten, hielten nie den Vergleich mit dem Domherrn aus.
»Ich bin zu wählerisch«, murrte sie vor sich hin und versuchte, durch das Aufschütteln des Kopfkissens eine bequemere Lage zu finden. Es war wohl die richtige Maßnahme, denn endlich fiel sie in einen unruhigen Schlaf.
Dass sie von Cornelius geträumt hatte, daran erinnerte sie sich am nächsten Morgen nicht mehr. Nur eine vage Sehnsucht war von dem Traum übrig geblieben, die sie resolut beiseiteschob.
Darin war sie nämlich eine Meisterin.
Charlotte legte das mit weichen Schwanendaunen verbrämte Negligé um ihre Schultern und verließ das eheliche Bett, um ihr eigenes aufzusuchen. Einen letzten Blick warf sie auf den Mann, der dort mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken lag und leise schnarchte. Er war noch immer stattlich, zugegeben, aber die Zeit des Wohllebens hatte ihm zu einem gewissen Embonpoint verholfen, wie man es vornehm bezeichnete. Charlotte, weniger vornehm, bezeichnete es für sich als Wampe. Nach vier Jahren Ehe mit cher Frédéric war es ihr lieber, alleine zu schlafen. Unwillig war sie ihren ehelichen Pflichten zwar nicht nachgekommen, aber mit der Dauer fand sie es mühselig, ihren Herrn Gemahl zufriedenzustellen. Da er seinerseits sich nur selten dazu bequemte, sie zufrieden zu stellen, hatte sie angefangen, Alternativen zu suchen. Es mangelte nicht daran. In ihrem Boudoir schaute sie in den Spiegel. Sie näherte sich den dreißig, aber sie wirkte noch jugendlich. Zwei Kinder hatten ihrer Figur keinen Schaden angetan, die rotgoldenen Locken benötigten keine Spülungen mit Henna, und auf dem Bord standen genügend Tiegelchen und Töpfchen mit Lilienwasser und Gurkenlotion, die die möglichen Fältchen um die Augen noch lange verhindern würden.
Sie tupfte geistesabwesend eine zarte Creme auf die Lider. Im Grunde war sie am Ziel ihrer Wünsche angekommen. Sie hatte ein großes Haus, einen übervollen Kleiderschrank, einen Schmuckkasten, der Neid erregen konnte, zwei einigermaßen wohlgeratene Kinder und einen erfolgreichen Mann. Warum nagte es nur an ihr? Was nagte da an ihr?
Es musste mit dieser lächerlichen Elena zu tun haben. Vor ungefähr einem Jahr hatte es angefangen. Es war so etwas wie der kühle Hauch von Verachtung, der von ihr ausging, der sich lähmend über sie legte und mit der sie ihr die Quelle der Bewunderung entzog, von der sie sich seit Jahren nährte.
Warum hatte Elena, die naive, vertrauensselige Elena sich so gewandelt?
Wieso hatte sich diese Antonia jetzt so auffällig mit ihr angefreundet?
Was wussten die beiden von ihr?
Charlotte überlegte ernsthaft. Dann lächelte sie ihr Spiegelbild zufrieden an. Sie würde es herausfinden.
Darin war sie schließlich eine Meisterin.
Große Geschäfte mit der Großen Armee
Der Mann muss hinaus ins feindliche Leben, muss wirken und streben, pflanzen und schaffen, erlisten, erraffen, muss wetten und wagen ...
Die Glocke, Schiller
Kay Friedrich Kormann gehörte zu den Auserwählten, die den Kaiser selbst sprechen durften. Am fünften November war der Imperator von Düsseldorf kommend in Köln eingetroffen, wo er im Hause Zuydtwyk in der Gereonsstraße Wohnung nahm. Wie bei seinem ersten Besuch vor sieben Jahren, wurde ihm ein begeisterter Empfang geboten.
Kormann bewunderte
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