Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
hinter Elena zugefallen war.
»Was ist denn mit deiner Mutter passiert?«
»Frag mich nicht. Sie versetzt mich seit Tagen beständig in Erstaunen. Ich glaube, seit sie festgestellt hat, wie gut sie ganz alleine mit unserer häuslichen Katastrophe fertig geworden ist, hat sie an Selbstachtung gewonnen. Sie bekennt sich ja endlich zu all diesen Geheimnissen, die sie vorher so ängstlich zu hüten bemüht war. Vielleicht hilft ihr sogar, so schlimm das klingen mag, Jakobas Tod. Denn nun ist niemand mehr da, der dieses Wissen mit ihr teilt, und sie braucht keine Angst mehr zu haben.«
»Damit hast du vermutlich den Kern der Sache getroffen.«
Antonia trank einen Schluck Kaffee und streckte sich dann. »Was führt dich her, Cornelius?«
»Der Wunsch, meine kleine Schwester zu drangsalieren natürlich. Zudem ein paar Neuigkeiten, die dir sicher große Freude machen werden.«
»Puh!«
»Du bist eine Berühmtheit, Toni. Die Jeanne d’Arc der Budengasse.«
»Du glaubst wirklich, mir damit eine Freunde zu bereiten?«
»Nein, damit nicht. Gut, eine Zusammenfassung. Marie Stammels Kind ist unversehrt. Die beiden anderen sind mit angesengten Haaren davongekommen. Sie sind übrigens schuld an dem Feuer. Marie hatte irgendeinen Brei auf dem Herd stehen und ist dann vor die Tür gegangen, um zu schwätzen. Dabei ist das Zeug angebrannt, und der Topf stand in Flammen. Der ältere Junge hat ihn mit einem Besenstiel heruntergehoben und in den Hof getragen. Dabei hat ihn seine Schwester geschubst, und der glühende Topf ist auf das trockene Stroh gefallen, das auf dem Pflaster lag. Es hatte sich sofort entzündet. Die Kinder flohen nach nebenan, wo ihr Vater im Nachbarhaus eine Ladung Kleidungsstücke verstaute. Er hat noch versucht, die Flammen zu ersticken, aber ein Windstoß hatte das brennende Stroh hinübergeweht, und die Wolltuche begannen zu glosen. Er packte seine beiden Kinder und rannte aus dem Haus.«
»Soll ich mich jetzt für Pitter Stammel freuen? Gut, dann tue ich das. Allerdings wundere ich mich, dass er nicht mehr bei Sankt Apern wohnt.«
»Die Wohnung mussten sie aufgeben. Aber er hat eine neue Stelle gefunden, als Verwalter eines Lagerhauses mit Wohnrecht in dieser baufälligen Hütte in der Budengasse.«
»Die er vermutlich jetzt verloren hat. Ich kann darüber keine Freude empfinden.«
»Nein, er ist ein bedauernswerter Wicht. Bedauern müssen wir auch den Besitzer des Lagerhauses, denn ihm ist nicht nur das Gebäude abgefackelt worden, sondern auch eine ganze Partie Uniformen für ein französisches Depot verbrannt. Sie brauchen, wie wir wissen, jeden Rock und jede Hose, jetzt, wo die Grande Armée im Entstehen ist. Es war ein Eilauftrag und sollte am Tag darauf ausgeliefert werden.«
»Nun, da wird der Produzent dieser Uniformen in beträchtliche Schwierigkeiten kommen. Er dauert mich. Wen hat es getroffen?«
»Cher Frédéric.«
»Ah! ›Freude hat mir Gott gegeben!‹«, zitierte Antonia mit einem Zwinkern. »Keine Perlen für Charlotte mehr.«
»Und keine Tratschereien von Marie.«
Antonia war schlagartig ernst geworden. »Verdammt, das hätte ich fast übersehen. Kormann hat sie angestellt, nicht wahr? Das war bestimmt kein Zufall.«
»Nein, das war keiner.«
»Was ist jetzt mit Stammels?«
»Sie haben die Stadt verlassen, angeblich gibt es da eine Schwester von Marie, die auf dem Land lebt und einen kleinen Bauernhof bewirtschaftet.«
»Ich wünsche ihnen nichts Böses, aber ich bin froh, dass sie fort sind.« Antonia wirkte jetzt müde und zerkrümelte die Reste ihres Kuchens auf dem Teller.
»Du solltest besser zu Bett gehen, Toni. Genesung braucht ihre Zeit.«
»Ja, gleich. Wann fährst du nach Leipzig?«
»Direkt nach Ostern, in genau drei Wochen.«
»Bis dahin werde ich wieder auf den Beinen sein.«
»Bestimmt, aber mitnehmen werde ich dich trotzdem nicht, Toni. Du weißt nicht, was für eine Strapaze es ist, zwei Wochen oder länger in einer rumpelnden, kalten Kutsche zuzubringen.«
»Cornelius!«
»Keine Widerrede, Toni. Nächstes Jahr, ich verspreche es dir.«
»Du hast es mir für dieses Jahr versprochen.«
»Aber du bist krank geworden.«
»Ich werde wieder gesund. Ich bin doch keine Zierpflanze.«
»Und ich keine Säuglingsamme. Du wirst unterwegs nur einen Rückfall bekommen.«
»Ich möchte aber David sehen.«
Cornelius seufzte. »Ja, Toni. Ich weiß, ich weiß. Jetzt, da er wieder Uniform trägt und die Franzosen sich langsam im Osten sammeln...«
»Nicht
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