Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
mehr lange, und es herrscht Krieg. Die Franzosen haben die Preußen verpflichtet, mit ihnen gegen Russland zu kämpfen. Er wird mit ihnen ziehen müssen.«
»Wer weiß. Die letzten Meldungen berichten, sie hätten nur ein Hilfscorps von zwanzigtausend Mann zu stellen.«
»Er wird dabei sein. Wir kennen ihn doch.«
Cornelius hob ergeben die Schultern. »Ja, er wird dabei sein. Man hat ihm vollständige Rehabilitierung, ja sogar Belobigung angeboten, und ein General hat ihn persönlich um Entschuldigung gebeten. Es muss ihn viel gekostet haben, denn es war einer von altem Schrot und Korn.«
»Sie haben endlich eingesehen, dass er bei Magdeburg richtig gehandelt hat. Das ist gut. Aber ob ich es genauso gut finde, dass er wieder ins Feld zieht... Es wird ein mörderischer Krieg werden, Cornelius.«
»Kriege sind immer mörderisch.«
»Ja, aber dieser wird alle vorherigen übertreffen.«
»Du wirst mir später deine Einschätzung erläutern, heute Nachmittag fehlt mir etwas Zeit dafür. Übrigens, Toni – noch einer unserer Bekannten zieht gen Russland.«
»Wer? Hoffentlich nicht François.«
Cornelius schnaubte. »Der ist viel zu klug dafür. Nein, Philipp Wittgenstein. Er ist mit seinem Fähnlein gestern aufgebrochen.«
»Oh.«
»Ja – oh. Ein weiterer Grund, Toni, warum du hierbleiben solltest. Susanne wird dich brauchen. Auf die eine oder andere Weise.«
»Da hast du wohl Recht. Auch mit dem Vorschlag, ich solle mich wieder hinlegen.«
Antonia erhob sich, musste sich aber an den Lehnen des Stuhls festhalten, weil ihr schwindelig wurde. Cornelius sprang auf und hielt sie fest, dann hob er sie ohne Federlesens auf die Arme.
»Ich bin das ja gewöhnt, dich irgendwohin zu schleppen. Halt dich fest, kleine Schwester, es geht ins Bett.«
Sie lachte leise und schlang ihm die Arme um den Hals, als er sie die Treppen hoch trug und die Tür zu ihrem Zimmer aufstieß. Vorsichtig legte er sie in ihrem Bett ab und meinte: »Den Rest wird besser deine Maddy besorgen. Schlaf dich gesund.« Er gab ihr einen schnellen, leichte Kuss auf die Stirn und verließ eilig den Raum.
Verwirrt sah Antonia ihm nach.
Logensitzung
Lehrlinge, Gesell und Meister,
brüderlich zum Tun gesellt,
bauen aus der Welt der Geister
hier schon eine bessre Welt.
Denn unseres Tempels Hallen
kennt man Zorn und Rache nicht.
Freimaurerlied
Sie schickten ihn wieder in die Kammer der verlorenen Schritte, diesen dunklen Raum der Reflexion. Er hatte sich nicht sonderlich darum bemüht, aber einige der Brüder überredeten ihn schließlich, sich der Gesellenprüfung zu unterziehen. Also ergab er sich in das – in seinen Augen viel zu pompöse – Ritual.
Cornelius hatte, als er anfing, sein Unternehmen aufzubauen, lange überlegt, welchen Vereinigungen er beitreten sollte. Es ging nicht ohne die Mitgliedschaft in irgendeinem Club, wenn man Beziehungen pflegen und an vertrauliche Informationen herankommen wollte. Auf die Freimaurer war seine Wahl gefallen, weil er sich seinem Adoptivvater verpflichtet fühlte, und man hatte ihn mit großer Zustimmung vor über einem Jahr aufgenommen. Es erstaunte ihn damals, wen er alles von seinen Bekannten hier antraf, und das versöhnte ihn mit dem hoch tönenden Brimborium, das die Logensitzungen begleitete. Es gab unter den Mitgliedern eine Reihe von Männern, denen das Mystische und das Zeremonielle bei Weitem wichtiger war als die eigentlichen Ziele des Bundes. Sie legten großen Wert auf die albernen Schürzen, das Ausrollen des Symbolteppichs, das gemeinsame Absingen qualitativ zweifelhaften Liedgutes und die Einweihungsspielchen. Andere hingegen schätzen die Gemeinschaft mehr, unterstützten wohltätige Vorhaben und halfen einander unauffällig auch im täglichen Leben. Von ihnen hatte Cornelius gerade in den ersten Monaten einige Hilfestellungen erhalten, für die er dankbar war. Im Gegenzug erklärte er sich nun bereit, den zweiten Grad zu erwerben und damit weitere Verpflichtungen auf sich zu nehmen.
Er trat mit gebührendem Ernst in den Raum, diesmal ausgestattet mit den Symbolen der Versuchung – Gold, Lorbeer und Schwert. Er musste lächeln, als er sich deren Bedeutung vergegenwärtigte. Gold, das bedeutete Reichtum. Reichtum aber war keine Versuchung für ihn. Nach Reichtum strebte er nicht. Zum einen hatte er eine, wenn auch nicht übermäßige, sondern lediglich stabile finanzielle Grundlage durch sein Erbe erhalten, zum anderen machte es ihm Freude, sein Einkommen durch die
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