Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Herrn General, stimmt’s?«
»Als Nächstes behaupten sie auch noch, ich würden diesen Strohkopf mit Henkeln, seinen tumben Burschen, mögen.«
»Sicher, Heinrich ist ein braver Kerl, und seine abstehenden Ohren darf man ihm nicht zum Vorwurf machen. Aber nun, Frau Liese, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns ein wenig ungestört ließen. Zum Abendessen richten Sie bitte nur etwas Leichtes, von dem wir uns selbst bedienen können. Eine Consommé, einen Salat oder so etwas.«
»Er isst zu wenig«, murrte die Haushälterin.
»Ich sorge schon dafür, dass er bei Kräften bleibt. Und zum Frühstück mag ich dann Kaffee und Honigbrötchen.«
Jetzt musterte Liese Antonia mit einem überaus strengen Blick und brummelte vorwurfsvoll: »Man könnte Sie für ziemlich dreist halten, gnädiges Fräulein.«
»Ach, tun Sie das doch bitte, Frau Liese.«
Ein gackerndes Lachen war die Antwort, dann verließ die Haushälterin das Zimmer.
»Liegt es daran, weil ich eure Sprache so schlecht beherrsche, Toni, oder verfügst du über die Zauberkräfte eines Drachenbezwingers?«
»Sie versteht Sie sehr gut, glaube ich, und mein Zauber war simpel. Aber ich hatte Ihnen mehr Menschenkenntnis zugetraut, General.«
»Bei Drachen versagt sie gelegentlich.«
»Hatten Sie nie einen Adjutanten, einen Burschen oder sonst einen Menschen, der sich nur mit äußerstem Grimm um Sie bemühte?«
»Doch, hatte ich. Ich verlor ihn bei Borodino.« Renardet seufzte. Dann nickte er. »Du hast vermutlich Recht. Sie kann nicht anders.«
»Nein, sie kann ihre Fürsorge nur durch Murren und Brummen ausdrücken.« Sie ging wieder auf ihn zu und legte ihm die Hände auf die Schultern. »Alsdann, mon Colonel, wo waren wir stehen geblieben?« Fürwitz lugte aus ihren Augen, aber er war wieder ernst geworden.
»Toni, es ist nicht richtig. Ich kann es nicht leugnen, ich begehre dich, ich empfinde tiefe Zueignung zu dir, aber ich kann dir nicht bieten, was du verdienst. Weder ein Heim noch eine Zukunft.«
»Ich weiß es, Sebastien. Sie haben Familie und Verpflichtungen. Aber wir haben eine Vergangenheit und Gegenwart. Mir genügt es.«
»Ich werde nicht bei dir bleiben können.«
»Aber jetzt sind wir hier.«
Er schloss die Augen wie vor Schmerz, aber es war nicht der ständig nagende Schmerz in seiner Seite, der ihn quälte.
»Sebastien, ich habe dich aus dem Tal der Schatten heimgerufen, damit du bei mir bist.«
»Ja, Toni, das hast du getan.« Er zog sie wieder an sich und streichelte ihre Wange. »Uns bleibt nur wenig Zeit. Versprich mir, mir nicht zu grollen, wenn ich gehen muss.«
»Meine Freundin hat einen Liebhaber gefunden, der nur drei Monate bei ihr blieb. Sie hat ihn leidenschaftlich geliebt, und ich glaube, sie wird ihn immer vermissen. Aber sie ist dennoch glücklich, die Erinnerung an die Zeit mit ihm zu haben. Schenk mir die Erinnerung, mon Colonel.«
Er war sanft und rücksichtsvoll, als er sie die Liebe lehrte, und verlor sich selbst in ihrer verzückten Hingabe. Die Abenddämmerung zog schon auf, als sie sich, verträumt an seiner Schulter ruhend, allmählich wieder zu regen begann. Er wachte aus einem leichten Schlummer auf.
»Mein Gott, Toni, es ist Abend geworden!«
»Ach ja, wie schnell die Zeit verging«, bemerkte sie mit einem glücklichen Lachen in der Stimme und strich über seine bloße Brust.
»Du kannst nicht im Dunkeln zurückreiten.«
»Natürlich nicht. Deswegen hoffte ich ja, dass du mir ein Lager für die Nacht anbietest. Eine einfache Strohschütte reicht, mon Colonel.«
»Du kannst selbstverständlich hierbleiben, aber man wird sich Sorgen um dich machen.«
»Nein. Meine Mutter weiß, wo ich bin. Und warum.«
»Aber dein Bruder! Er wird mir das Fell über die Ohren ziehen.«
»Er selbst hat mich hergeschickt. Er würde sich weit mehr wundern, wenn ich nach Hause käme.«
»Du hast deiner Familie gesagt, du hättest...«
»Ich erklärte ihnen, ich wolle mit dem Mann, den ich seit vielen Jahren liebe, eine Affäre beginnen. Warum soll ich lügen?«
Jetzt lachte Renardet leise und drehte sich so, dass er sich über sie beugen konnte.
»Du bist eine einzigartige Frau, Toni.«
»Dreiviertel?«
»Nein, ganz und gar und absolut vollkommen. Himmel, viel zu vollkommen.«
»Ich fühle mich auch sehr vollständig. Obwohl das Gefühl wohl vertieft werden könnte. Meinst du, man könnte auf die Schnelle noch daran arbeiten?«
»Bestimmt nicht auf die Schnelle.«
Mit diesem Tag begann für
Weitere Kostenlose Bücher