Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
Weise zimperlich, selbst extravagante Varianten mit ihm durchzuexerzieren. Ja, sie forderte ihn geradezu heraus, seiner Phantasie in jeder Weise nachzugeben. Irgendwann war er ermattet in die Kissen gesunken, und sie erhob sich von dem zerwühlten Lager, um ihm ein weiteres Glas Champagner einzugießen. Dabei ließ er seinen Blick genießerisch auf ihrer ungenierten Nacktheit ruhen. Die beinahe knielangen, lockigen Haare wallten über ihren Rücken und bildeten einen atemberaubenden Kontrast zu der milchig weißen Haut, die an manchen Stellen dank seines Einwirkens jetzt gerötet war. Ihre grauen Augen, die noch vor Kurzem fast diabolisch schwarz in ihrer Leidenschaft gewirkt hatte, blickten jetzt wieder kühl und distanziert. Als sie sich in den zierlichen Sessel setzte, wirkte sie so unnahbar wie eine Gräfin in ihrem Salon. Sie begann mit kultivierter Stimme, die so ganz anders klang als die, mit der sie ihm aufreizende, höchst ordinäre Worte ins Ohr gegurrt hatte, über die allgemeine politische Lage zu plaudern. Der Kontrast amüsierte ihn, und er ging auf dieses Spiel ein.
Am nächsten Vormittag hatte Lydia ihrem Arbeitgeber einige sehr interessante Neuigkeiten zu vermelden. So beispielsweise, dass der Armeelieferant der Franzosen heimlich Kontakte mit den preußischen Militärs aufgenommen hatte, um seine Leistungen anzubieten. Es bestätigte ihr, dass sich das Blatt wahrhaftig gewendet hatte, obwohl Napoleon mehrere Siege gegen die russisch-preußische Allianz errungen hatte und es Anfang Juni sogar zu einem Waffenstillstand gekommen war. Kritisch hingegen stimmte sie die Tatsache, Kormann habe einen hohen Kredit aufgenommen. Und zwar nicht bei einer Kölner Bank, sondern bei einem Bankhaus in Aachen. Der Erlkönig vermutete, er wolle seine Lagerbestände aufstocken, da die Versorgungslage in unsicheren Zeiten wie diesen schwierig werden konnte, aber Lydia erinnerte ihn an den Brand vor einem Jahr. Da hatte er einen beträchtlichen Verlust erlitten, den er noch immer nicht verkraftet hatte. Denn durch das russische Desaster waren die Zahlungen der französischen Heeresversorgung eher schleppend erfolgt, wenn nicht zur Gänze ausgefallen.
»Er hat seitdem mit hohen Einsätze gespielt und gestern viel gewonnen.«
»Um die forderndsten Gläubiger zu befriedigen, wird es reichen, doch es ist lange nicht genug, um ihn zu sanieren.«
»Behalte ihn im Auge, Lydia. Ich will keinen Bankrotteur an meinen Tischen haben.«
Abschied ohne Wiederkehr
Alles gaben Götter, die unendlichen,
Ihren Lieblingen ganz.
Alle Freuden, die unendlichen,
Alle Schmerzen, die unendlichen, ganz.
Goethe
Das Frühjahr war in einen warmen Sommer übergegangen, und die langen, hellen Tage luden dazu ein, unter den Kastanienbäumen zu sitzen oder gemächliche Spaziergänge in den Auenwäldern zu machen. Antonia fühlte sich manchmal wie in eine verzauberte Welt versetzt, wenn sie den Weg nach Sürth ritt. Ganz zu Beginn ihrer Liebe hatte sie Sebastien gefragt, ob sie zu ihm in das Häuschen ziehen sollte, aber er hatte sie gebeten, ihm ein wenig Zeit für seine Korrespondenz und Berichte zu erlauben.
Es war eine Ausrede, das hatte sie schnell herausgefunden. Sie merkte, dass er sich an manchen Tagen nicht besonders wohlfühlte und große Schmerzen litt. Frau Liese klärte Antonia darüber auf und bat sie, ihren Besuch anzukündigen, denn der General sei so störrisch und wollte die schmerzlindernden Medikamente nicht nehmen, die ihm Doktor Schmitz verschrieben hatte. Nur wenn er um ihr Kommen wusste, ließ er sich dazu überreden.
Also ritt sie zwei- oder dreimal in der Woche hinaus, blieb über Nacht bei ihrem Geliebten und kehrte am nachfolgenden Nachmittag nach Köln zurück. Sie brachte ihm dabei immer alle deutsch- und französischsprachigen Gazetten und Zeitungen mit, die sie beide dann mit großer Begeisterung lasen. Sebastien erklärte Antonia das laufende Kriegsgeschehen, das er aus Sicht des Feldherren beurteilen konnte, und erfreute sich an ihren scharfsinnigen Kommentaren und Schlussfolgerungen.
»Du wärest die Vorzeigeschülerin einer jeden Kriegsakademie, Toni. Ich habe kaum je einen Mann getroffen, der so rasch die Zusammenhänge, die Möglichkeiten und die Risiken einer militärischen Operation erkennt.«
»General Vandamme hat es mir damals in Olvenstedt ja angeboten, mich auf die Kadettenschule zu schicken. Hätte ich das Angebot nur angenommen.«
»Dann würde unser Kaiser vermutlich noch in
Weitere Kostenlose Bücher