Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)
zwanzig Jahren siegreich über Europa herrschen.«
»So wird es nur noch ein paar Monate dauern. Wirst du wieder mit ihm ziehen, wenn die letzte Schlacht droht?«
»Nein, Toni. Mein aktiver Dienst ist zu Ende. Aber etwas ganz anderes – sag mal, wo hält sich eigentlich dein Bruder David derzeit auf? Ist er noch im Yorck’schen Corps?«
»Davids letzter Brief kam nach der Schlacht von Bautzen. Dort haben sie den Rückzug der Preußen gedeckt. Bisher ist ihm, dem Himmel sei Dank, nichts geschehen.«
»Yorck ist ein bedächtiger Führer, er schont seine Leute.«
»Sie haben viel getan, diese Preußen.«
»O ja, sie haben viel von unserem Kaiser gelernt. Die starre Gefechtsordnung gehört bei ihnen der Vergangenheit an.«
»Ich hoffe, sie haben auch gelernt, Feldlazarette aufzubauen und Ärzte auf den Feldzug mitzunehmen. Ich fand es immer grauenerregend, wie kaltherzig sie ihre Verwundeten hilflos auf dem Gefechtsfeld haben liegen lassen.«
»Es ist der bei Weitem schrecklichste Teil des Krieges, da hast du völlig Recht. Selbst die Lazarette sind eine Schande. Schlachten sind ein Spielzeug der Offiziere, ein viel zu intellektuelles Vergnügen, das jegliche Menschlichkeit vermissen lässt.«
»Sagte der General.«
»Gestatte, Toni, dass ich über eine gewisse Leidensstrecke hinweg dazugelernt habe.«
»Ja, Sebastien, ich weiß. Verlassen wir dieses Thema, ich will dir lieber von meiner Suche nach den Domplänen berichten, über mein Jahr als umherziehende Bandkrämerin und Straßenräuberin.«
»Natürlich, Straßenräuberin, was konntest du auch sonst werden? Jede junge Dame aus gutem Hause sollte mindestens ein Mal in ihrem Leben unter die Räuber gehen.«
Er hatte seinen Spaß an ihren blumig vorgetragenen Geschichten, und sie endete mit den Worten: »Als Erinnerung haben wir jetzt nun Xaviera, Maddys Tochter, ein richtig süßes Karamellbonbon.«
Er lächelte sie an und wurde dann plötzlich ernst. »Toni, dir ist doch klar, dass diese Aussicht auch bei dir besteht?«
»Ja, Sebastien, sehr klar. Macht es dir etwas aus?«
Einen Moment lang schwieg er, dann legte er den Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. »Es weckt zwiespältige Gefühle in mir, Liebste. Auf der einen Seite würde es mich unendlich glücklich machen, wenn aus unserer Liebe ein Kind erwachsen würde, auf der anderen bedrückt es mich zu wissen, welche Folgen es für dich hätte.«
»Welche Folgen denn, Sebastien?«
»Du bist eine ledige junge Frau. Man wird dich gesellschaftlich ächten. Ich bin sicher, deine Familie wird darüber ebenfalls nicht sehr erfreut sein.«
Antonia lachte leise auf. »Ach, weißt du, uneheliche Kinder haben bei uns so etwas wie Tradition. Ich bin die Tochter einer Nonne, Cornelius ist zwar in ehelicher Gemeinschaft gezeugt, aber nicht von seinem Vater, sondern von dem Domherrn, und David ist der Sohn von dessen Konkubine.«
»Oh.«
»Siehst du? Es wäre nicht so schlimm. Was die gesellschaftliche Ächtung anbelangt, Sebastien, was glaubst du, was mich die schert? Ich gebe den Leuten gerne einen Anlass, sich das Maul über mich zu zerreißen, ich bin es gewöhnt. Meine Freunde aber werden zu mir stehen. Wenn ich es hätte vermeiden wollen, hätte ich entsprechend vorgesorgt.«
»Du bist schwanger?«
»Wenn ich richtig gerechnet habe...«
Er schloss die Augen und streichelte sanft ihren Arm. Sie sah sein Gesicht und entdeckte Wehmut und Sehnsucht darin. Gerade wollte sie etwas Aufmunterndes äußern, als er flüsterte: »Für das Kind wird immer gesorgt werden, Toni, das verspreche ich dir. Aber, mein Gott, ich hätte ihm so gerne meinen Namen gegeben.«
»Es wird sowieso deinen Namen tragen. Ich finde Sebastian oder Sebastienne sehr schön.«
Sie waren glücklich und lachten viel in jenen sonnigen Tagen. Trotz allem bemerkte sie, wie schwankend der Gesundheitszustand des Generals war. Im April noch hatten sie gemeinsame Ausritte unternommen, im Mai waren sie seltener geworden, und seit drei Wochen schob Sebastien es auf das schwülwarme Wetter, dass er lieber im Garten sitzen wollte. Sie tat, als bemerke sie es nicht, aber sie machte sich ihre Gedanken.
Als sie in der ersten Juliwoche zurück nach Köln ritt, begleitete sie ein schmerzliches Unbehagen. Er war wie immer liebevoll und zärtlich zu ihr gewesen, doch in der Nacht hatte ihn ein heftiger Fieberanfall geschüttelt. Sie verabreichte ihm das Fieberwasser, das die Haushälterin immer griffbereit hielt, aber er hatte die
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