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Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Kreuzblume: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Affen zu vergleichen. Geschweige denn setzte man sein Benehmen mit dem Auswurf eines knoblauchfressenden Abdeckers gleich.«
    »Das wundert mich einigermaßen«, murmelte Toni. »Besonders betreffen wird ihn jedoch der subtile Hinweis darauf, seine Aussprache habe das zahnfäulige Aroma eines skrofulösen Hurenwirts. Mein Kompliment zu der poetischen Bildhaftigkeit Ihrer Ansprache. Sie haben unsere Zunge offensichtlich im Feld gelernt, Monsieur?«
    Toni nickte. Der Sekretär lehnte sich an das Schreibpult am Fenster und sah sie nachdenklich an. »Nun, Monsieur, was war Ihr Anliegen? Vielleicht kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Sie werden sicher dort drin benötigt. Ich will Ihnen nicht noch Schwierigkeiten machen.«
    »Keine, die ich nicht auf mich nehmen könnte. Also?«
    Schulterzuckend gab Toni nach. Wenn der Sekretär, der sich als François Joubertin vorstellte, ihr behilflich sein wollte, musste sie diese Chance nutzen.
    »Ich suche nach einer ehemaligen Nonne namens Deodata. Ich habe eine Nachricht von einer Verwandten für sie.«
    »Ah, nichts leichter als das. Folgen Sie mir.« In einem vollgestellten Raum, einer Registratur, zog Joubertin zielgerichtet einen Zettelkasten aus dem Regal und blätterte durch die Karten darin. Doch alle fünf Nonnen, die auf den Namen Deodata hörten, kamen nicht in Frage, waren zu alt oder gestorben.
    »Sie...« Toni überlegte krampfhaft. Da gab es noch einen Hinweis. Etwas, das Elisabeth einmal erwähnt hatte. »Können Sie nach einem Sankt Maurice oder so schauen?«
    »Sankt Mauritius gab es einmal. Ein Benediktinerinnenkloster. Augenblick!« Ein weiterer Karteikasten wurde herbeigeholt und durchgeblättert. »Es gibt keine Deodata von Sankt Mauritius. Aber, junger Mann, das hat nichts zu sagen. Wir führen hier nur die geistlichen Personen, die eine Rente beziehen. Wenn Ihre Deodata beispielsweise bei Verwandten lebt oder gar, wie einige der frommen Schwestern, geheiratet hat, dann ist sie bei uns nicht aufgeführt.«
    Toni sackte in sich zusammen. Augenscheinlich war es nicht ganz leicht, ihre leibliche Mutter aufzufinden.
    »Verzagen Sie nicht«, munterte der Sekretär sie auf und schrieb eine Adresse auf einen Zettel. »Besuchen Sie Mutter Ottilia. Sie war die Äbtissin von Mauritius. Sie wird sicher wissen, was mit ihren Ordensfrauen geschehen ist.«
    »Danke, Monsieur Joubertin. Sie sind sehr hilfsbereit.«
    »Für das Vergnügen, Monsieur, das Sie mir mit Ihrer meisterlichen kleinen Rede vorhin bereitet haben, ist das nur eine geringe Gegenleistung.«
    »Sie mögen den Kommissär nicht?«
    »Nein, ich mag den Kommissär nicht.«
     
    Von Mutter Ottilia, die in einer der schäbigsten Gassen Kölns, der Thieboldsgasse, einem hohlwegartigen Sträßchen in der Nähe des ehemaligen Klosters Sankt Mauritius, in ärmlichsten Bedingungen hauste, wurde Antonia an Karl Ludwig Lindenborn, den Cousin von Schwester Deodata, geborene Elena Lindenborn, verwiesen. Durch die feuchtkalte Dämmerung des Februartages ging sie zu der Adresse am Mühlenbach. Ein hochnäsiger Bediensteter öffnete Toni, die wieder ihr Sprüchlein aufsagte, sie suche die ehemalige Nonne Deodata, um ihr eine Nachricht von einer Verwandten zu bringen. Sie wurde in die Eingangshalle gebeten und angewiesen, dort zu warten.
    Es dauerte geraume Zeit, bis sich die Dame des Hauses einfand, eine modern gekleidete Mittvierzigerin, die den verfrorenen, schäbig aussehenden Jungen abfällig musterte.
    »Elena Lindenborn! Gütiger Himmel! Ja, sie hat für eine kurze Zeit bei uns gewohnt. Wir haben ihr ein anständiges Heim geboten. Aber das war ihr nicht gut genug. Sie zog es vor, als Dompfaffenliebchen der abgehalfterten Geistlichkeit ihr Leben zu fristen. Die treiben ja jetzt alles das in der Öffentlichkeit, was sie vorher heimlich hinter Kloster- und Stiftsmauern versteckt haben. Mit dem Kapitular Waldegg hat sie schon damals ständig zusammen geklüngelt. Jetzt bläst sie sich als der rettende Engel der Trottoirschwalben und Soldatenhuren auf. Na, vielleicht nimmt sie sich ihrer Verwandten auch an! Versuchen Sie es am Domhof. Da lebt sie jetzt wie die Made im Speck.«
    Blass geworden, bedankte sich Toni einigermaßen höflich und beeilte sich, durch die unbeleuchteten Straßen zurück zum Tabakladen zu hasten. Dort wehrte sie Maries nörgelnde Fragen nach ihrem Verbleib ab und zog sich in ihr klammes Kämmerchen zurück. Sie wollte sich, was sie erfahren hatte, in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Müde und

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