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Kreuzdame - Köln Krimi

Kreuzdame - Köln Krimi

Titel: Kreuzdame - Köln Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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schien.«
    »Wie denn auch«, rief Karlheinz, »man hatte ihm ja auch die Amygdala herausgeschnitten, diesen Mandelkern gleich neben dem Hippocampus, und das ist, wie wir alle wissen, die Schaltstelle der Gefühle.«
    »Genau«, fuhr Johannes fort, »und darüber kamen wir zu der Frage, ob nicht in der modernen Medizin überhaupt zu viel, zu schnell und zu unüberlegt operiert wird, und dann sind wir ganz direkt auf die vielen Schönheitsoperationen gekommen. Wir haben Klaus gefragt, ob er das eigentlich noch mit dem Hippokratischen Eid vereinbaren kann, wenn er Sechzehnjährige operiert, die einen größeren Busen wollen, oder wenn er junge Frauen nach dem Bild irgendeines Stars modelliert, wenn Gesichter nicht mehr vom Leben, sondern vom letzten Arztbesuch berichten.«
    »Stimmt, ich erinnere mich«, sagte Martin. »Aber Klaus hat sich verteidigt. Er hat gesagt, dass es dem Selbstbewusstsein guttäte, wenn jeder das Beste aus sich herausholen könnte, und er hat gefragt, was daran falsch wäre, wenn ein junges Mädel seine Nase nicht hübsch fände und seinen Busen zu klein, und wenn er sich dann daran machte, ihr zu helfen. Wir sollten mal bedenken, wie glücklich er die Leute damit mache, wie fröhlich sie danach weiterlebten, weil sie endlich so aussähen, wie sie schon immer aussehen wollten und wie sie sich fühlten. Hat er nicht noch von einem Versuch erzählt? Da hatte man doch den Testpersonen Fotos ihrer eigenen Gesichter vorgelegt, einmal computerverschönt und daneben die echten, und fast alle hätten sich auf den geschönten eher wiedererkannt als auf den echten. So wäre das nun mal, meinte Klaus, und wenn er dem Gestalt verleihe, was schon im Unterbewusstsein vorhanden sei, sei das doch völlig in Ordnung.«
    »Und dann hast du gesagt, das wäre so wie eine Elfe, die in einem Zweizentnerweib wohnt«, unterbrach ihn Karlheinz.
    »Weil ich die Situation entkrampfen wollte«, sagte Martin, »weil ich sah, wie sich Klaus ärgerte, wie er sich verspannte und wie seine Hände vor Aufregung zitterten, aber im Prinzip war ich ja eurer Meinung. Auch ich finde es befremdlich, dass man sich heute nicht mehr auf seine Augen verlassen kann, so wie früher, wo man in Stirn- und sonstigen Falten zuverlässige Helfer im Einschätzen des Alters hatte. Aber irgendwie tat mir Klaus leid, er war doch unser Freund, und an diesem Abend kam es mir vor, als läge viel Neid in der Luft, so eine Art Missgunst, weil er mehr aus seinem Beruf herausholte als wir mit unseren normalen Patienten.«
    »Er war an so vielem interessiert«, begann plötzlich Charlotte sehr leise, »hatte angefangen, sich mit Anthropologie zu befassen, mit ihren Grundsätzen, mit Claude Lévi-Strauss, er machte sich Gedanken über die Milliarden von Nervenzellen unter dem Hügel des Schädels, und er hat sich gefragt, ob es nicht wirklich sein könnte, dass jedes Wesen, um sich zu entwickeln, erklärende Mythen brauche, short scripts , die es in fast allen Kulturen gäbe und die auch notwendig wären für die Herausbildung der inneren Ordnung, und dazu, das war seine Meinung, gehört auch das Bild der eigenen Schönheit –«
    »Typisch für Klaus«, wurde sie von Johannes unterbrochen, »immer einen Schritt voraus, immer etwas ganz Besonderes.«
    »Richtig«, bestätigte Karlheinz, »ich fand es einfach ein bisschen unverschämt, dass er sich so selbstbewusst heraushob, als ob meine kleinen Patienten, wenn sie ihre Ohrenschmerzen los sind oder den Husten, nicht auch glücklich wären und vor allem gesund. Denn mit Gesundheit oder körperlicher Unversehrtheit hat das, was Klaus macht, ja nun wirklich nichts mehr gemein.«
    Das hörte sich an, als ob Klaus noch lebte. Dachte denn niemand daran, dass er tot war, dass er sich nicht mehr wehren konnte, dass sie Freunde gewesen waren über all die Jahre, in der Schule, auf der Universität, in den Seminaren und später in den Abteilungen der Hospitäler, wie sie gemeinsam vor dem Physikum gepaukt und sich gegenseitig Glück gewünscht hatten, wie unzertrennlich sie gewesen waren über so viele Jahre? Das Glas in meiner Hand zitterte. Ich hätte gern laut gerufen: »Klaus ist tot!«, aber da ergriff erneut Johannes das Wort.
    »Und ich vor allem«, sagte er, »wenn die Schwangerschaft gut verlaufen ist und das Kind geboren, wie glücklich sind dann die Eltern, ja wirklich, ich denke, das ist wertvoller in dieser Welt, als jemandem den Busen zu vergrößern, weil er mehr aus sich machen will.«
    Und was war

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