Kreuzdame - Köln Krimi
Menschen sollte nicht dazugehören, das war unser aller Meinung gewesen.«
»Nicht von allen«, rief Johannes, »zwischen mir und Klaus hat sich dann nämlich ein Streitgespräch entwickelt, weil er unter bestimmten Voraussetzungen dem Klonen zustimmen wollte, und ich habe ihm entgegnet, dass wir Mediziner uns alle verbünden müssten, um die Menschheit vor diesem schweren Fehler zu bewahren –«
»Du hast gesagt, dass eine solche Form der Therapie verachtet und geächtet werden müsste, und das hat Klaus sehr wütend gemacht. Das hast du wohl vergessen«, sagte Martin mit einem Lächeln, das mir nicht gefallen wollte.
»Und die Frauen?«, fragte Herr Weber, der scheinbar das Interesse an dem Fachgespräch der Männer verloren hatte. »Worüber haben sich die Damen unterhalten?«
»Dass das Essen sehr gut war«, sagte ich vorsichtig und spürte, wie diese Unterhaltung mich zu verwirren begann.
»Du wolltest sogar das Rezept haben«, rief Karin. »Ich suche es dir morgen raus, hatte ich leider vergessen …«
»Wir haben noch über ein Buch geredet«, sagte Charlotte. »Darin hatte ich gelesen, dass wir viel mehr auf die Selbstheilungskräfte unseres Körpers bauen sollten, dass Gesundheit immer im Kopf anfängt – wissen Sie, so etwas kann man mit unseren Männern nicht diskutieren –, aber im Übrigen waren wir nicht nur Frauen, Rainer, mein Agent, saß auch bei uns, den brauchen wir als Vierten zum Kartenspielen, seit nach Anna jetzt auch Katharina weg ist, die zweite Frau von Klaus.«
»Er passt ja auch ganz gut zu euch Frauen«, sagte Karlheinz hinter vorgehaltener Hand und grinste.
»Wir haben ein Foto gefunden bei dem Toten, ›in Liebe Katharina‹ stand auf der Rückseite. Ist sie das?«
Er zeigte ein Bild von Katharina, und wir nickten.
»Wie heißt sie mit Nachnamen?«
Wir sahen uns an.
»Wahrscheinlich Bender, wie Klaus, sie war doch seine Frau.«
»Nein«, sagte Herr Weber, »seine Frau heißt Anna.«
Anna? Wir alle hatten gedacht, er wäre geschieden und hätte in aller Stille dort unten in Bayern Katharina geheiratet. Hatte er das nicht irgendwann erzählt, und überhaupt hatte er sie doch jedem und überall als seine Frau vorgestellt. Auch in der Zeitung waren sie hin und wieder zu sehen gewesen, und darunter hatte stets etwas gestanden wie: »Klaus Bender, der Mann, der die Frauen verschönt, mit seiner Ehefrau Katharina, der besten Werbung für seine Kunstfertigkeit«.
»Hatten Sie das Gefühl, dass sich Herr Bender in letzter Zeit verändert hatte, wirkte er, sagen wir mal, irgendwie verunsichert, vielleicht sogar besorgt über –«
»Nein, überhaupt nichts dergleichen«, rief Martin, »er war wie immer, strotzend vor Selbstbewusstsein.«
Wir sahen ihn an und dann zu Herrn Weber, der sich auf einem kleinen Block Notizen machte und danach fragte: »Wer hat ihn nach dem Kartenspiel noch einmal gesehen oder mit ihm gesprochen?«
Plötzlich wurde es sehr still, es lag eine Anspannung im Raum, die von allen Köpfen und Herzen ausging, als hätte jeder Furcht davor, etwas Falsches zu sagen, etwas, das Klaus schaden könnte.
»Niemand?«, fragte Herr Weber in diesem Moment und erhob sich. »Ich danke Ihnen sehr für Ihre Kooperationsbereitschaft, allerdings werde ich Sie noch mehrmals belästigen müssen.«
Martin begleitete ihn zur Haustür, und als er zurückkam, hielt er zwei Flaschen Wein in den Händen, die er offenbar aus der Küche mitgebracht hatte. »Aus Apulien«, sagte er, »Primitivo di Manduria, wird uns jetzt guttun.«
Er füllte die Gläser, die ich rasch aus dem Schrank geholt hatte, und als wir anstießen, wie immer auf alles, was wir liebten, und diesmal auch auf Klaus, sagte Johannes: »Übrigens, das ist euch schon klar: Das Gespräch, über das wir eben geredet haben, hat nicht beim letzten Kartenabend stattgefunden. Da hatten wir ganz andere Themen, wenn ihr euch erinnert. Es ging um jenen Mann, der seit mehr als einem halben Jahrhundert nur in der unmittelbaren Gegenwart lebt, nachdem man im Herbst 1953, um ihn von seinen schweren epileptischen Anfällen zu befreien, was, wie wir wissen, ja auch gelang, bei einer Operation auch den größten Teil des Hippocampus herausgenommen und damit das Erinnerungsvermögen zerstört hat. Wir haben uns gefragt, ob diese Art zu leben noch lebenswert ist oder ob sie vielleicht sogar besser ist als unsere Lebensweise, weil dieser Mann ganz offensichtlich nicht im Mindesten unglücklich oder ängstlich zu sein
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