Kreuzdame - Köln Krimi
mit all den Jahren, in denen Klaus in Katastrophengebieten sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um Opfern von Krieg und Terror zu helfen? Warum erinnerten sie sich nun nur noch an seine Zeit als Schönheitschirurg und an das, was sie ablehnten, und nicht an die guten Dinge?
Martin schwieg. Ich dachte daran, wie traurig er letzte Nacht gewesen war und dass Klaus ihm vielleicht wirklich fehlte.
»Alle Promis haben einen an der Waffel«, begann er in diesem Moment, offenbar in der Absicht, die Gemüter wieder etwas zu beruhigen, »hat gestern in einem Artikel in der Fachpresse gestanden. Ein Psychiater will herausgefunden haben, dass man nicht erst exzentrisch wird, wenn man berühmt ist, sondern erst das Borderline-Syndrom oder andere Störungen machen den Weg zum Star möglich. Am besten singen und schauspielern können die Leute, die immer wieder zwischen Leben und Tod schweben, die knüppeln dann die Ängste nieder und stellen sich auf die Bühne. Und wisst ihr, warum sie so bewundert werden? Weil sie tun, was die meisten von uns sich nie trauen. Wir deckeln das Private, und sie breiten alles aus.«
Niemand antwortete, keiner ging darauf ein. Johannes, Karlheinz und Charlotte hielten ihre Gläser in der Hand und blickten nachdenklich in den roten Wein, nur Karin sah Martin an und flüsterte: »Also hör mal …«
Nach einer Weile sagte Charlotte: »Vor vier Wochen, nach unserem letzten Treffen«, und ihre Stimme klang so leise, als ob sie ein Selbstgespräch führte, »als er bei mir im Atelier seinen Kaffee trank, da wirkte er so … anders, so müde, wie hinausgeworfen aus seinem Leben, auch älter, zittriger, so kam es mir –«
»Wie?«, rief Karlheinz. »Du hast ihn noch mal gesehen nach unserem Kartentreffen? Das hättest du sagen müssen, eben, als der Kommissar da war. Warum hast du das verschwiegen?«
Charlotte blickte hoch, und es sah aus, als bereute sie, überhaupt davon angefangen zu haben. »Weil«, begann sie, »weil das eigentlich niemanden etwas angeht, weil es etwas Stillschweigendes war, zwischen Klaus und mir, wenn er manchmal zu mir kam, mit mir redete, vor allem …«
Sie brach ab und sah zu Johannes, der ihrem Blick nicht standhielt, sondern ins Glas starrte, als sei im Rotwein die Wahrheit zu finden, die Antwort auf das, was ihm in diesem Augenblick durch den Kopf ging.
»Ach, was soll’s«, sagte Charlotte und stand auf. »Der Kommissar wird ja wohl noch einmal zu uns kommen. Dann kann ich ihm davon erzählen, wenn ihr meint, das wäre wichtig und könnte womöglich dazu beitragen, die Todesursache zu klären.«
Der letzte Satz hatte spöttisch geklungen und forderte Karlheinz offenbar regelrecht heraus. Mit Nachdruck erklärte er, dass bei unklaren Todesfällen, und um einen solchen schien es ja hier zu gehen, jede Kleinigkeit für die Wahrheitsfindung von Bedeutung wäre. Er verstünde wirklich nicht, wie man einfach etwas unterschlagen könne, das sei fahrlässig und geradezu eine Behinderung der polizeilichen Ermittlungsarbeit.
Im Stehen trank Charlotte ihr Glas leer, gab sich dann, wie es schien, einen inneren Ruck, richtete sich auf, hielt den Rücken gerade und drückte die Schultern nach unten. Danach drehte sie ihren Kopf auf dem langen Hals balancierend elegant in Martins und meine Richtung, verkündete lächelnd: »Ich bin dann mal weg«, und verließ den Raum.
»Charlotte …«, rief ich und rannte hinter ihr her, »warte doch mal, was war denn zwischen dir und –«
»Nicht jetzt«, flüsterte sie, »erzähl ich dir später mal.«
Sie umarmte mich schnell, und als sie eilig zur Tür hinaustrat, kam es mir vor, als wäre sie auf der Flucht.
Ich kehrte ins Wohnzimmer zurück und setzte mich auf die Couch, dicht neben Karin. Aber die nahm mich gar nicht wahr, sie hielt sich an ihrem Glas fest wie eine Ertrinkende an einem Strohhalm, schwenkte es hin und her, sodass der Wein darin umher schwappte. Es war sehr still im Raum, und ich fürchtete fast, jeder könnte das schnelle Herzklopfen in meiner Brust bemerken. Glücklicherweise begann Martin in diesem Moment über einen chronischen Schmerzpatienten zu reden, einen, der seit Langem mit Morphium behandelt würde, was zwar die Schmerzen lindere, aber nun klage er über Übelkeit und eine ständige Müdigkeit, sodass er sich wieder mal fragen müsste, wann die Medizin wirklich nur heilen würde, ohne neue Beschwerden hervorzurufen, also wann Ärzte nicht mehr den Teufel mit dem Beelzebub austreiben
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