Kreuzdame - Köln Krimi
und ehrlich gelebt und gedacht, meine Töchter hätten gelernt, was Respekt ist. Aber jetzt schreist du mich an in diesem Ton. Du meinst wohl, du bist was Besseres!«
Danach stolperte er hinaus, setzte sich in seinen kleinen Fiat und war weg. Für immer. An der Kreuzung Innere Kanalstraße und Merheimer Straße war er bei Rot abgebogen. Der Lastwagen, in den er krachte, hatte nicht viel abbekommen, aber mein Vater war sofort tot. Als die Polizei meiner Mutter von dem Unfall berichtete, hat sie drei Tage geschrien. Danach sprach sie keinen Ton mehr. Ein halbes Jahr versuchten wir, sie zurückzuholen in die Wirklichkeit, aber sie blieb schweigsam, wurde immer dünner und blasser, und im Winter war sie einfach für immer eingeschlafen.
Was vor dem Tod meines Vaters passiert war, erzählte ich weder Martin noch meiner Schwester. Ich vergrub den Streit in meinem Herzen, trauerte um den Verlust meiner Eltern, wie sich das gehörte, und ertrug mein schlechtes Gewissen, das täglich schwerer wog. Manchmal redete ich mir ein, es wäre der Wandel der Welt gewesen, das Herausgerissensein aus Altgewohntem, was meine Eltern ins Grab gebracht hatte.
DREI
Meine Schwester war Klaus’ Testamentsvollstreckerin. Das erfuhr ich telefonisch am nächsten Morgen, gleich nach dem Frühstück. »Wieso?«, fragte ich überrascht.
»Was heißt hier wieso?«, entgegnete sie ärgerlich. »Ich bin Juristin, und Klaus kannte mich, also eher: wieso nicht? Das Testament ist beim Amtsgericht hinterlegt und eine CD mit persönlichen Einzelheiten bei mir in der Kanzlei. Ich melde mich, wenn es so weit ist und wenn ich Näheres weiß.«
»Bis dann«, sagte ich müde und legte auf.
Wer war Klaus gewesen? Martin versteckte seinen Brief, Charlotte verschwieg seine Besuche, Anna und Katharina hatten ihn im Stich gelassen, Timo schien ihn nicht zu vermissen, Karin hätte ihn gern als Mann gehabt, Johannes und Karlheinz kritisierten seine medizinische Vorgehensweise, und meine Schwester hatte er als Testamentsvollstreckerin eingesetzt. Und ich? Ich hatte mal eine Weile an ihn gedacht, nicht mehr und nicht weniger.
Wieso aber war Katharina nicht Klaus’ Frau gewesen? Hatte Klaus den letzten Schritt der Trennung von Anna nicht machen wollen, hatte er sich ihr wegen Timo verpflichtet gefühlt? Warum hatte er sich nicht endgültig von ihr getrennt, als er diese neue Frau gefunden hatte, die atemberaubend schöne Katharina? Bevor wir sie kennengelernt hatten, hatte er uns von seiner neuen Gefährtin, wie er sie nannte, erzählt. Er sei ziemlich verknallt, das war seine Wortwahl gewesen.
Als er zum ersten Mal zu einem Kartenabend mit ihr zusammen hereingekommen war, war uns die Spucke weggeblieben. Sie sah aus wie ein Kinostar, der von der Plakatwand herunter lächelt, war groß und beängstigend schlank – bis auf die Oberweite, an der die Männeraugen hängen blieben. Überhaupt hatten ihr die Männer an diesem Abend viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als es während der Kartenabende üblich war, und auch wir Frauen hatten versucht, besonders nett zu ihr zu sein, vielleicht um unsere Bereitschaft zu signalisieren, sie aufzunehmen in unseren Kreis, auch wenn sie tatsächlich weder altersmäßig noch wegen ihres überwältigenden Aussehens zu uns zu passen schien. Unscheinbar hatten wir uns vorher nie gefühlt, auch keinem unterlegen. Trotz aller Unterschiede hatten wir immer irgendwie zusammengepasst: Charlotte, Karin, Anna und ich. Katharina allerdings kam aus einer ganz anderen Liga, das hatten wir gleich bei der ersten Begegnung gespürt, und so sehr wir uns auch überboten hatten in liebenswürdigem Entgegenkommen, sie war einfach anders gewesen, reserviert trotz ihrer überschwänglichen Freundlichkeit, hatte Abstand gehalten, eine fremdartige, unüberwindbare Würde ausgestrahlt und, ja, so könnte man sagen, eine geheimnisvolle Einsamkeit, die niemand von uns je zu durchdringen vermochte.
Als sie Klaus und damit auch uns verlassen hatte, waren wir erstaunt gewesen, aber nicht gekränkt. Denn eigentlich hatte sie nie wirklich zu uns gehört.
Während ich den Frühstückstisch abräumte, fiel mir plötzlich wieder ein, was Charlotte gestern gesagt hatte. War Klaus wirklich umgebracht worden? Dieser Gedanke fuhr mir wie ein Blitz ins Herz und verdoppelte seine Schlagfolge. Gab es jemanden, der Klaus aus dem Weg hatte haben wollen, jemanden, der sein Fahrzeug manipuliert oder Klaus selbst etwas angetan hatte?
Als Carolin am frühen Nachmittag
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