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Kreuzdame - Köln Krimi

Kreuzdame - Köln Krimi

Titel: Kreuzdame - Köln Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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würden.
    Die Trauerhalle auf dem Südfriedhof füllte sich schnell, und so setzten wir uns in die erste Reihe, die sonst frei geblieben wäre, und wirkten damit, als wären wir die nächsten Angehörigen. »Sind wir ja womöglich auch«, flüsterte Martin. Rainer kam kurz vor Beginn der Zeremonie, und ganz zum Schluss quetschte sich auch Timo durch die im Gang stehenden Menschen, und Martin rückte zur Seite, sodass auch er noch Platz fand in unserer Bank.
    Die Predigt des Pfarrers war kein Trost für meine verwirrte Seele. Ich hatte gehofft, etwas zu hören, was mir Stärkung werden könnte, aber der Pfarrer reihte nur die Lebensstationen des Verstorbenen aneinander, gewürzt mit ein paar unbedeutenden Floskeln und der Hoffnung, Klaus werde von Gott angenommen. Ich hätte gern eine Sicherheit gehört, etwas, das mir die Angst davor nahm, an einem ebenso nasskalten Tag ins Grab abzugleiten – eine Vorstellung, die mir den Hals zuschnürte, als ich die Blumen hinab warf und mir vorstellte, wie er in der schwarz lackierten Kiste lag, deren Goldkanten vom Wohlstand zeugten, den er gehabt hatte und jetzt verlor. Klaus, der charmante Klaus, der wunderbare Tänzer. Warum ließ Gott so etwas zu? Was war falsch gewesen an seinem Leben, warum holte ihn der Tod in seinen frühen Jahren?
    Es gab einige Reden am Grab und das Vaterunser und Gesichter, die man zu kennen meinte. Der Pfarrer war schon gegangen, und auch die Trauergäste entfernten sich, nur wir blieben noch schweigend am offenen Grab stehen, Charlotte, Johannes, Karin, Karlheinz, Martin und ich. Timo war längst weg, und als auch wir uns endlich auf den Weg machten und die anderen schon ein paar Schritte gegangen waren, sah ich plötzlich eine Frau, die hinter den Büschen hervortrat. Sie war klein und ein bisschen mollig, sie trug einen schwarzen Mantel und einen Hut mit Schleier, unter dem graue Haare hervorlugten. Trotz des Regens hielt sie ihre Augen hinter einer großen Sonnenbrille verborgen. Ich blieb stehen.
    »Komm jetzt«, rief Martin, der schon fast am Ende der Grabreihe war, und winkte.
    Ich starrte die Frau an, ging ein Stück auf sie zu und flüsterte: »Anna?«
    Sie blickte auf, legte den rechten Zeigefinger auf die Lippen und hielt ihre linke Hand wie einen Telefonhörer ans Ohr. Dann huschte sie zurück in die Büsche und war verschwunden.
    »Wo bleibst du denn?«, rief Martin. »Die anderen sind schon fast im ›Kuckuck‹.«
    »Das war Anna«, sagte ich atemlos, als ich ihn einholte.
    »Die Frau da eben? So ein Quatsch! Das wird eine von denen gewesen sein, die er operiert hat und die noch nicht wieder ganz gesellschaftsfähig ist, um sich zu präsentieren«, meinte er und zog mich Richtung Parkplatz.
    Auf dem Militärring kamen wir nur langsam vorwärts, alle Ampeln standen auf Rot, und der Verkehr war, wie immer, dicht. Wir bogen nach links ab und fuhren zum Parkplatz des Landgasthofs »Kuckuck«, der schon rappelvoll war, sodass Martin den Wagen schließlich auf eine schraffierte Linie stellte, in der Hoffnung, bei diesem Wetter werde sich keine Politesse zur Kontrolle hier hinauswagen. Das Stimmengewirr, das uns aus dem Restaurant entgegenscholl, ließ eher auf eine Geburtstagsparty schließen als auf einen Leichenschmaus.
    »Dort ist ein reservierter Tisch«, sagte ein Kellner, als wir den großen Saal betraten, führte uns zu Plätzen am Fenster, wo unsere Freunde schon Platz genommen hatten.
    Nach der zweiten Tasse Kaffee startete mein Herz zum Dauerlauf. Ich bestellte ein Glas kaltes Wasser, das ich hastig hinunterschüttete, aber die Hoffnung, hiermit den Rhythmus zu verlangsamen, schlug fehl. Meine Hände zitterten, als ich nach einer Käsebrötchenhälfte griff. Charlotte, die neben mir saß, legte mitfühlend ihren Arm um meine Schulter. Ich sah sie an und flüsterte, so leise wie möglich: »Anna war am Grab.«
    Doch Charlotte sah mich fragend an und sagte: »Ich habe dich nicht verstanden.« Etwas lauter wiederholte ich den Satz, und nun verschlug es ihr den Atem. »Bist du sicher?«, fragte sie.
    »Absolut«, antwortete ich. »Sie will mich anrufen.«
    Ich sah, wie Charlotte sich an Karin wandte und ihr hinter vorgehaltener Hand etwas zuflüsterte.
    »Ich brauche eine Zigarette«, sagte Charlotte dann, und Karin und ich antworteten fast im Chor: »Ich komme mit nach draußen.«
    Gemeinsam standen wir auf, gingen hinaus, die Treppe hinunter und setzten uns auf die alte Bank, die am Ende des langen Flurs vor den Toiletten stand,

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