Kreuzdame - Köln Krimi
hatte immer mehr Termine am Abend oder auswärtige Kongresse, auch dann, wenn ich Vernissagen terminierte, bis ich allmählich begriff, dass es vorbei ist, dass es eine andere gibt, eine, die er mehr begehrt als mich.
Ausgerechnet an einem dieser Tage, als ich am tiefsten Punkt angekommen war, als die Hoffnungslosigkeit mich umwehte wie ein grauer Nebel, kam Klaus, um sich ein neues Bild für seine Klinik auszusuchen. Das tat er hin und wieder, und als er sich entschieden hatte, tranken wir, wie immer, Champagner, aber plötzlich sah er mir in die Augen und wollte wissen, was los sei mit mir, warum ich so traurig sei, ob ich ihm nicht erzählen wollte, was mich so betrübe und mir die Fröhlichkeit raube. ›Bevor du daran erstickst und zugrunde gehst‹, hat er noch gesagt, und da habe ich ihm mein Herz ausgeschüttet. Danach kam er dann und wann zu mir, er richtete mich wieder auf. Ich spürte, wie ich begann, mich nach ihm zu sehnen, dass ich die Tage zählte, bis er wiederkam. Ich war wie neugeboren, fühlte mich wie damals, als ich mich in Johannes verliebte.
Aber jetzt ist Klaus tot, und alles ist schlimmer als vorher. Johannes spricht kaum noch mit mir, von morgens bis abends gibt es keine wirkliche Begegnung zwischen uns. Er vermeidet es, mit mir am Tisch zu sitzen, frühstückt lieber in der Praxis, isst mittags irgendwo im Restaurant und abends macht er sich, am Kühlschrank stehend, ein Brötchen, geht kauend an seinen Schreibtisch und knipst den Bildschirm an. Ich weiß nicht mehr weiter.«
»Du bist so stark, Charlotte, so erfolgreich. Manchmal habe ich gedacht, du brauchst gar keinen Mann an deiner Seite, du kommst auch allein zurecht. Vielleicht ist es das, was Johannes fehlt, das, was ein Mann braucht, manchmal jedenfalls, dass er sich als Beschützer fühlen kann, als derjenige, der dem scharfen Wind die Stirn bietet, damit sein schwaches Weib keinen Schaden leidet. Vielleicht hättet ihr Kinder bekommen sollen, das macht manches leichter. Du merkst, dass die Welt noch andere Seiten hat als nur die eine zwischen Mann und Frau. Kinder wollen gewaschene Shirts und einen Gutenachtkuss, sie wollen, dass du ihnen zuhörst, wenn sie dir von den Dingen ihres Lebens erzählen, du musst sie motivieren, wenn die Schulnoten schlechter werden oder wenn sie der erste Liebeskummer niederdrückt. Dafür brauchst du eine Menge Kraft, und abends bist du vielleicht sogar froh, wenn keiner noch sonst was von dir will. Habt ihr eigentlich nie über Kinder nachgedacht?«
»Kinder! Als ob das was für uns gewesen wäre. Guck uns doch an, wir waren auf Design gepolt, auf Schönheit und auf Erfolg. Da passt doch kein schreiender Panz hinein, der beschissene Windeln hinterlässt. Nein, für Kinder hatten wir beide keine Antenne, da waren wir uns einig von Anfang an.«
»Aber vielleicht hat Johannes doch mit den Jahren nach all den Schwangeren, die er als Arzt begleitet hat, die Sehnsucht gespürt, einmal selbst Vater zu werden, einmal selbst ein Neugeborenes in den Händen zu halten, das nicht nur kurz dort bleibt, sondern das an seiner Seite heranwächst. Ich könnte mir das gut vorstellen bei ihm. Ich weiß noch, wie gern er früher mit unseren Kindern gespielt hat, und ich habe immer gehofft, es würde auch bei euch irgendwann klappen.«
»Es lag nicht an mir«, sagte Charlotte. »Wir hatten nach unserer Heirat beschlossen, uns nicht zu begrenzen mit Kindern, und wenn ich später mal damit anfing, dann hat er schnell das Thema gewechselt.«
»Du hättest einfach die Pille weglassen können und dann abwarten, wie Johannes darauf reagiert.«
Charlotte schwieg. Sie kaute an ihrer Unterlippe. Dann sah sie mich an und sagte: »Er hätte seine Sachen gepackt und wäre gegangen … oder vielleicht auch nicht, ich weiß es nicht. Vielleicht hat er ja jetzt eine, die zu ihm aufschaut und womöglich ein Kind von ihm kriegt.« Sie hatte wieder Tränen in den Augen, und ich begann, ihren Arm zu streicheln und sie anzulächeln.
»Es ist alles immer so leicht gewesen für mich«, flüsterte Charlotte, »kein Wunsch, der unerfüllt blieb, ich habe nicht gelernt, zu warten oder gar zu verzichten – was ich wollte, bekam ich. Ich habe nicht gelernt, zu verlieren oder auch nur in der zweiten Reihe zu stehen. Ich wäre zum Strahlen geboren, hat Klaus gesagt, das Weinen sollte ich anderen überlassen, beim letzten Mal war das.
Danach bin ich wieder in die Traurigkeit zurückgesunken, auch weil ich gespürt habe, dass ich für
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