Kreuzdame - Köln Krimi
gebeugt und dabei den Alkohol gerochen. Fast wäre ich zurückgetaumelt.
»Charlotte«, begann ich vorsichtig, »wer ist ›sie‹? Meinst du Frau Magari?«
»Wen denn sonst?«, murmelte sie, streckte die Hand aus und griff nach einer Weinflasche, die neben ihrem Stuhl stand, hob sie an und warf sie mit Schwung von sich, als sie bemerkte, dass sie leer war.
Charlotte, die schöne, begabte, intelligente, elegante, beliebte und erfolgreiche Charlotte, die Frau, die stets auf Etikette achtete, Champagner anbot oder Kaffee mit feinstem Gebäck auf dem kleinen Glastisch vor dem großen Fenster zwischen den Designerstühlen, geschmückt mit einer brennenden Kerze und frischen Blumen, daneben sie selbst, strahlende Lässigkeit der Künstlerin, war nur noch ein Bild des Jammers.
»Charlotte«, rief ich, »komm, reiß dich zusammen! Ich koche uns jetzt einen Kaffee, und dann erzählst du, was dich bedrückt.«
Ich ging zu der kleinen Küchenzeile, füllte Wasser in den Behälter der Nespressomaschine, legte die Kapseln ein, drückte auf den Knopf, und als ich danach die gefüllten Tassen auf den Tisch stellte, murmelte Charlotte: »Zwei Zuckerstücke, bitte.«
Diese alltägliche Bemerkung machte mir Hoffnung, dass sie sich fangen und bereit sein würde, über das zu reden, was ihr offensichtlich so schwer auf der Seele lag. Ihre Hand war ruhig, als sie die Tasse zum Mund führte. Ich bemerkte das mit Erstaunen, und der Gedanke, sie wäre womöglich daran gewöhnt, so viel Alkohol zu konsumieren, wollte sich nicht wegdrücken lassen.
Sie trank in kleinen Intervallen und stellte die Tasse erst ab, als sie leer war. Danach seufzte sie hörbar, nahm eine Zigarette aus ihrem Silberetui, zündete sie an und inhalierte so tief, dass mir schwindelig zu werden drohte.
»Also gut«, begann sie, und ihre Stimme klang wieder etwas fester. »Ich will dir erzählen, was mich quält, etwas, das nur Klaus wusste. Er hat mich verstanden, mich getröstet, seine Zärtlichkeit hat mich für alles entschädigt …« Wieder liefen Tränen über ihr Gesicht.
Das waren also Klaus’ geheime Besuche gewesen, die eigentlich niemanden angingen, wie sie am Abend nach Herrn Webers Besuch bei uns gesagt hatte. Ich wartete, bis sie weitersprechen konnte.
»Es ist fast ein Jahr her, dass Johannes mich zum letzten Mal angefasst hat. Ich kann machen, was ich will, er geht vor mir ins Bett oder lange nach mir, wenn er sicher sein kann, dass ich schlafe, und morgens tut er so, als ob er noch schläft, oder er ist längst aufgestanden, wenn ich wach werde. Ich habe alles versucht, neues Parfüm, erotisierende Menüs, scharfe Unterwäsche, ich habe mich in der Stephanstraße bei ›Erdbeermund‹ reingeschlichen, mir Ratgeber gekauft, ›Wie gewinne ich meinen Mann zurück‹,und mich geschämt, dass ich so etwas nötig habe, ich, Charlotte, die erfolgreiche Malerin, bewundert und begehrt von so vielen, und die muss sich jetzt recken und strecken nach der Liebe ihres Mannes.«
»Aber immer wenn ich euch zusammen gesehen habe, dich und Johannes, dann wart ihr so harmonisch. Er war so liebenswürdig, so bemüht um dein Wohlergehen. Ich kann nicht glauben, dass er dich nicht mehr liebt.«
»Ach du«, sagte Charlotte leise, »du in deinem Kuckucksheim, in deinem Elfenbeinturm, von dem aus du die Welt betrachtest, wo du dir alles so schön träumst, dass es gar nicht anders sein kann als harmonisch und zärtlich.«
Ich schwieg. Warum hatte sie mich angerufen, wenn sie mir kein vernünftiges Urteil zutraute? War ich nicht lang genug Ehefrau und Mutter, um zu wissen, wie das Leben sein kann? Und meinte sie wirklich, unter unserem Dach gäbe es nie Spannungen?
»Ich bin nicht so schön wie du«, sagte ich, »habe weder deine Eleganz noch deine Talente, aber ich stehe mit beiden Beinen im Leben, habe versucht, meinem Mann eine gute Frau zu sein und meinen Kindern eine Mutter, die sie aufs Leben vorbereitet. Naiv oder weltfremd kann man mich nicht nennen. Und außerdem bin ich der Meinung, dass du übertreibst. Jeder Mensch hat mal Lust und mal keine, vielleicht solltest du ihn darauf ansprechen. Ich meine, das ist immer noch die beste Art, mit Zweifeln umzugehen –«
»Es ist nicht so, dass ich das nicht versucht hätte, und danach schien es ja auch besser zu werden. Dann kam er am Abend in die Küche, umarmte und küsste mich so, dass ich dachte, alles wird wieder gut. Aber nur zwei Tage später war es wieder vorbei. Er entfernte sich immer weiter,
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