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Kreuzdame - Köln Krimi

Kreuzdame - Köln Krimi

Titel: Kreuzdame - Köln Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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meiner Mutter und vielleicht auch die von meinem Vater.«
    »Aber deine Mutter war doch in Ordnung, hat sich krummgelegt, war immer fleißig, wollte dir ein gutes Leben ermöglichen, hat geputzt, Tag und Nacht, nur für dich.«
    »Ja, nur für mich«, sagte Anna und lächelte. »Tag und Nacht, da hast du recht, aber geputzt hat sie nicht oder höchstens sich selbst. Krummgelegt ist eigentlich gar nicht so falsch. Ihre erste Schicht begann kurz nach fünf, Afterworkjob könnte man sagen, im abgetrennten Teil unserer kleinen Wohnung, da, wo die roten Lampen wohnten und die Plüschkissen auf dem Bett lagen, wo sie sich auszog und hingab, jedem, der sie ordentlich bezahlte. Bis in die Morgenstunden ging das oft, und dann schlief sie bis zum Mittag. Frühstücken musste ich immer allein, und mittags war sie oft noch nicht angezogen, wenn ich heimkam. Dann gab sie mir Geld, um was einzukaufen für uns zwei.«
    »Eine Nutte? Deine Mutter war eine Prostituierte?« Ich brachte es nicht fertig, mein Entsetzen zu verbergen. »Und dein Vater, der war doch bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, oder?«
    »Hab ich erzählt, aber tatsächlich war er ihr früherer Zuhälter, von dem sie sich dann aber glücklicherweise trennte, als er begann, sie zu verprügeln, weil sie zu viel Zeit mit mir, dem Gör, wie er mich nannte, verbrachte und zu wenig verdiente. Siehst du, und nach solchen Erbanlagen war ich gezwungen, so zu leben, mich anzubieten. Ich freute mich, wenn ich ankam, wenn mich die Jungs begehrenswert nannten und haben wollten. Aber die meisten wollten nichts Ernstes. Martin zum Beispiel, nach diesem einen Mal wollte er nichts mehr von mir wissen, deinetwegen, und genauso Johannes, der mir schon mal tief in den Ausschnitt guckte und doch immer nur an Charlotte dachte. Als ich merkte, dass ich schwanger war, habe ich Panik bekommen und mich in sanfter und anständigster Weise als Jungfrau bei Klaus eingeschleust. Und er hat mich tatsächlich aus der Gosse gezogen, hat mir beigebracht, wie ich mich zu benehmen hatte und so weiter.«
    Sie lächelte sehr sanft, als hinge sie diesen Erinnerungen nach.
    »Und warum bist du dann plötzlich gegangen, hast ihn und auch uns verlassen? Ich muss das fragen, Anna. Wir waren alle ziemlich erschüttert, weil du keinem etwas gesagt hattest von deinen Nöten.«
    Anna sah mich lange an. Dann sagte sie leise: »Ach, was weißt du schon.«
    Ich starrte sie an. »Was meinst du?«, flüsterte ich und spürte, wie mir ein Schauer über den Rücken rann.
    Doch Anna antwortete nicht.
    »Hast du ihn umgebracht?« Ich stieß das hinaus, meine Stimme überschlug sich fast.
    »Nein«, sagte sie mit fester Stimme, »ich bin Anna Bender, Witwe des verunglückten Klaus Bender …«
    Ich stand auf und ging ans Fenster. Dann fiel mir ein, dass es einen Grund gab, warum Anna hier lag, etwas, das nur sie betraf und nichts mit Klaus zu tun hatte. Die Wahrheit erschreckte mich zutiefst.
    »Ich hatte ein Mammakarzinom«, sagte sie. »Eine Brust haben sie mir abgenommen. Chemo und Bestrahlung habe ich hinter mir, und jetzt sollte ich eigentlich ein Implantat bekommen. Aber nun wollen sie sichergehen, dass sich nicht noch irgendwo irgendwas Neues festgekrallt hat in mir. Wahrscheinlich wollen sie sich erst einmal darüber Klarheit verschaffen und danach entscheiden, ob es sich überhaupt noch lohnt, einer alten kranken Frau wie mir wieder einen schönen Busen zu machen.«
    Sie schloss die Augen. Wahrscheinlich hatte sie das Gespräch sehr angestrengt, und so verabschiedete ich mich leise, schlich hinaus in den Flur, die Treppe hinunter, lief durch den Klinikgarten wie um mein Leben.
    Zwei Tage später fuhr ich noch einmal zur Klinik, hinauf in den fünften Stock. Eine Frage gab es noch, die ich Anna stellen musste. Als ich gerade anklopfen wollte, kam eine Schwester vorbei und erklärte mir, Frau Bender wäre heute Morgen operiert worden, man habe ihre Brust neu gemacht, und nun sei sie sicher noch müde und wolle keinen Besuch empfangen. Ich ging trotzdem zu ihr hinein, blickte hinunter auf ihr Gesicht, auf ihre Hände, die sie über der Brust gefaltet hielt, und fragte mich, wer diese Frau war, der Vater ein Zuhälter, die Mutter eine Nutte, und sie selbst hatte fast mein Leben ruiniert. Seit ich sie auf Klaus’ Beerdigung zum ersten Mal wiedergesehen hatte, hatte mich etwas an ihr irritiert, und nun, als ich sie in Ruhe anschaute, fiel mir auf, dass ihr Gesicht irgendwie verändert aussah. Die Nase hatte

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