Kreuzdame - Köln Krimi
anziehender wäre. Ich war gespannt, wie es weitergehen würde, meine Lebensfreude war in kleinen Tropfen zurückgekehrt, und ich glaubte, alles würde sich doch noch zum Besseren wenden, vor allem, wenn Rainer aus unserem Umfeld verschwände.
Gestern Abend dann war Charlotte bei einer Bekannten eingeladen. Rainer kam zu uns, es sollte das letzte Mal sein, und dann … Ich konnte ja nicht wissen, dass sie viel früher als geplant nach Hause kommen würde. Als sie zur Tür hineinkam und uns, wie soll ich sagen, in flagranti nennt man das wohl, erwischte, da hat sie angefangen zu schreien, sehr hoch und sehr schrill, und hat gesagt, wir sollten beide verschwinden. Ich wollte mit ihr reden, aber Rainer meinte, das hätte keinen Sinn, und hat mich mit zu sich nach Hause genommen. Sie würde sich schon wieder beruhigen, hat Rainer gemeint, er wüsste, wie sie tickte, er kenne sie wahrscheinlich besser als ich. Als ich endlich am Morgen heimkam, sah ich die Blutlache und ahnte, was geschehen war.«
»Nein«, rief ich mit zitternder Stimme, »du kannst nicht alle Schuld von dir schieben! Du kannst mir nicht weismachen, dass Rainer für alles verantwortlich ist. Eher wird es so gewesen sein, dass du Angst hattest vor den Konsequenzen, dass du nicht wirklich wusstest, wie du Charlotte die Sache erklären solltest, dass du dich geschämt hast. Und du hast wahrscheinlich gehofft, wenn ein paar Stunden verstrichen sind, wird ihre Wut verraucht sein, und dir wird schon etwas einfallen, was du ihr erzählen kannst, damit du einigermaßen ungeschoren aus der Affäre herauskommst.«
Martin nahm meine Hand, als wollte er mich beruhigen.
Johannes stand schweigend auf, ging bis ans Ende des Flurs und sah aus dem Fenster.
Als Charlotte am frühen Morgen aufwachte, war sie sehr ruhig und bereit, mit Johannes zu sprechen. Martin und ich sahen uns an, nahmen uns an der Hand und gingen langsam in die zweite Etage, wo unser Kind lag.
»Es geht ihr gut«, sagte die Schwester in diesem beruhigenden Ton, in dem Schwestern immer reden. »Sie schläft jetzt, und wir sollten sie nicht stören.«
Aus meinem Terminkalender riss ich ein Blatt und schrieb einen kleinen Gruß an meine Tochter, mit der Bitte, sich im Laufe des Morgens zu melden.
Zu Hause tranken wir zwei Tassen starken Kaffee und hofften, er würde uns durch den Tag bringen, aber die Müdigkeit ließ sich nicht vertreiben. Als Carolin anrief und mich bat zu kommen, hätte ich mich am liebsten verweigert, aber: Der Mensch kann mehr ertragen als sein Los, und so machte ich mich wieder auf den Weg ins Hospital, besuchte Carolin und später Charlotte, die schweigsam blieb und mich im Ungewissen ließ über die Zukunft, die sie sich wünschte oder plante. Ich war leer gebrannt, als ich zu Hause ankam und hoffte inständig, dieser Tag werde in Ruhe ausklingen. Doch in der Einfahrt stand Karins Auto.
Ich kochte erst einmal eine große Kanne Kaffee, und sie machte es sich auf dem Sofa bequem. »Schön habt ihr es«, sagte sie und sah zu meinem Kürbis-Herbst-Arrangement in einer Schale auf dem Schiefertisch. »Ich habe noch keine Herbstdekoration im Haus. Aber, piano, piano, wie die Italiener sagen, das kommt noch.«
Sie goss Milch in den Kaffee, rührte um, nahm die Tasse in die Hand, lehnte sich zurück und sagte nach dem ersten Schluck: »Das tut richtig gut.«
Es kam mir vor, als spielte sie mir eine Rolle vor, eine Rolle, die sie einstudiert hatte und gut beherrschte. Obwohl sie mich damit irritierte, stellte ich keine Fragen, war vielleicht sogar froh über die Normalität dieser Begegnung, die mir viel Kraft ersparte.
»Es ist, wie es ist«, sagte sie leise. »Du hast mir einen guten Rat gegeben. Es war richtig, mit ihm zu reden. Seine Geschichte – du kennst sie ja – ist plausibel, obwohl ich immer noch nicht verstanden habe, warum er mich nicht ins Vertrauen gezogen hat. Ich bin seine Frau, mit mir hätte er doch reden können, reden müssen. Alles wäre besser gewesen, als mich die Kinder von Klaus austragen zu lassen, mit dieser Lüge …«
»Aber jetzt«, sagte ich schnell, »jetzt ist Klaus tot, und Karlheinz lebt. Jetzt könnt ihr doch alle froh sein, dass ihr zusammen seid. Für Mathilda und Leon ändert sich nichts, sie sind nur ein bisschen wohlhabender geworden, und das ist doch nicht schlimm.«
»Auf das Geld hätte ich gern verzichtet, aber wir können die Uhr nicht mehr zurückdrehen. Die Geschichte ist fertiggeschrieben, zwar nicht zu jedermanns Freude,
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