Kreuzdame - Köln Krimi
vieles von dem, was sie mir erzählt hatte, ab, und damit stand ich als Lügnerin da, als eine, die sich mit einer erfundenen Geschichte in den Vordergrund hatte drängen wollen. Ich räusperte mich und versuchte, das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. »Ich kann dazu nichts mehr sagen. Alles, was ich Ihnen berichtet habe, stimmt. So hat es mir Anna Bender erzählt, und wenn sie nun etwas anderes sagt, dann liegt es an Ihnen, die Spreu vom Weizen zu trennen.«
»Wenn Ihnen noch etwas dazu einfallen sollte, rufen Sie mich an«, erwiderte Herr Weber, und sein Ton war alles andere als freundlich. »Übrigens hat Anna Bender von den Drohbriefen gewusst und gemeint, ihrem Mann hätte man mit so was keine Angst einjagen können, deshalb hätte sie auch vorher nichts davon erwähnt.«
Danach legte der Kommissar auf.
Warum hatte Anna mir nichts von den Drohbriefen erzählt, war es ihr nicht wichtig gewesen, oder hatte sie mich nicht auch noch damit belasten wollen? Und wenn sie selbst die Verfasserin gewesen war?
Anna, diejenige, die ihn schon zum Tode verurteilt hatte und mir erfundene Geschichten erzählte, um sich als Opfer zu präsentieren und damit selbst reinzuwaschen? Gab es tatsächlich eine andere Katharina, war sie bei uns gewesen und nicht Anna? Ich träumte von Menschen mit zwei Köpfen und zählte deren Füße, aber morgens war ich wie zerschlagen und wusste nicht mehr, was ich glauben sollte.
Für den Nachmittag verabredete ich mich mit Timo im »Café Reichard«. Nachdem nun selbst Johannes, Charlotte, Karlheinz und Karin die Geschichte von Anna und Katharina kannten, sollte er als ihr Sohn sie auch hören.
Als ich die Treppe vom Parkhaus zum Roncalliplatz hochging und von dort zu den Domtürmen hochblickte, kam ich mir sehr klein vor. Eine Liedzeile von Reinhard Mey ging mir durch den Kopf, manches, was vorher groß und wichtig gewesen war, schien jetzt nichtig und klein. Ob Anna wirklich Katharina gewesen war oder mir nur einen Bären aufgebunden hatte, was spielte das schon für eine Rolle, das fragte ich mich angesichts der Größe dieser Kathedrale, eines Gotteshauses, an dem Menschen über Jahrhunderte gebaut hatten, Menschen, denen klar gewesen sein wird, dass sie die Vollendung dieses Bauwerks nie miterleben würden, und die trotzdem bereit gewesen waren, ihren Beitrag zu leisten. Und wir, die wir glauben, alles wäre wichtig, vor allem wir selbst, wollen, was wir beginnen, auch vollendet sehen, wollen den Dank dafür und den Applaus, und es ist doch vom Ende her gesehen meistens ohne Bedeutung für den Weltenlauf. Der Mörder von Klaus, oder seine Mörderin, sicher würde der- oder diejenige keinen anderen mehr töten.
Timo saß schon im Café, und wir begannen das Gespräch mit Belanglosigkeiten. Dann erzählte ich vorsichtig alles, was Anna mir berichtet hatte. Seine Reaktion überraschte mich.
Timo lachte schallend. »Also, wenn das wirklich stimmt, dann zeigt das einmal mehr, wie gut Klaus war! Dass er Anna so verändert hat, dass selbst ich darauf reingefallen bin, alle Achtung!«
Ich war erschüttert. »Aber zu welchem Preis?«, flüsterte ich. »Deine Mutter hat sehr darunter gelitten. Sie musste sich die ganze Zeit verstellen, nur damit Klaus seinen Ruhm, seinen Erfolg behielt, damit er allen zeigen konnte, wie brillant er war. Ach Timo, ich wünschte, das wäre alles nicht geschehen.«
»Was?«, fragte er.
»Diese ganze Geschichte mit der Umwandlung zu Katharina, wenn es denn überhaupt so war. Weißt du, deine Mutter hat mir die Geschichte im Vertrauen erzählt, aber ich konnte sie nicht für mich behalten, wie ich versprochen hatte. Was wird sie denken? Vielleicht hasst sie mich jetzt?«
»Was geschehen ist«, sagte Timo, nun ganz ernst, »ist geschehen, das ist wie bei uns im Fernsehen. Wenn wir auf Sendung sind und einer niest oder verspricht sich, dann kannst du das bei einer Livesendung nicht mehr wegschneiden, aber vielleicht ist das auch gut so. Alles trägt Gutes und weniger Gutes in sich, es gibt keinen Menschen ohne Brüche, und nur wenn wir bereit sind, uns dem zu stellen, leben wir authentisch. Wenn Anna unschuldig ist, dann wird sie sicher eines Tages verstehen, dass du nicht anders konntest, als ihre Geschichte der Polizei zu erzählen.«
Ich sah ihn an. Er hatte recht. Niemand war vollkommen, auch wenn wir immer diesen Eindruck vermitteln wollten. Jeder machte Fehler, und meiner war gewesen, Annas Geschichte Martin anzuvertrauen. Ich musste lernen, damit
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