Kreuzdame - Köln Krimi
alles ausgedacht, oder es stimmt, und dann müssen wir uns mit Kommissar Weber in Verbindung setzen. Denn wenn Katharina gar nicht existiert, dann ist wahrscheinlich Anna die Täterin.«
Ich erschrak. Genau das hatte ich die ganze Zeit über selbst befürchtet und doch nicht wahrhaben wollen. Aber durfte ich Annas Vertrauen missbrauchen? Sie wollte neu anfangen, hatte sie gesagt, sie wäre wieder Anna, meine Freundin. Sie hatte nicht gewollt, dass diese Geschichte jemals an die Öffentlichkeit kam.
»Muss das wirklich sein?«, fragte ich. »Ich meine, dass wir zur Polizei gehen? Anna hat mir doch vertraut, und –«
Aber Martin unterbrach mich. »Wie denkst du dir das, sie erzählt dir etwas, und du sollst es für dich behalten? So etwas kann nur Anna einfallen. Sie lebt nach ihren Regeln, und wenn sie sich öffnet, dann ist sie befreit, hat aber einem anderen das Herz gefüllt. Du brauchst ja auch gar nichts zu unternehmen. Ich werde morgen zu Herrn Weber gehen und ihm diese Geschichte erzählen. Dann muss er entscheiden, ob sich die Suche nach Katharina erübrigt hat.«
Die Stimmung war dahin. Ich trank mein Glas leer und stand auf. »Vielleicht hätte ich nichts sagen sollen«, flüsterte ich.
Aber Martin erwiderte: »Doch, das war richtig. Wir können doch nicht eine Verdächtige schützen! Wo kommen wir denn da hin? Und du, du bist doch kein Arzt oder Pfarrer, der vertrauliche Informationen für sich behalten muss. Nein, Liebes, das war gut, dass du dich davon befreit hast, und tatsächlich brauchst du dich ja auch nicht mehr darum zu kümmern.«
Das hatte ich nicht gewollt. Anna ans Messer liefern? Und wenn sie alles abstritt und mich als Lügnerin darstellte, mich der Lächerlichkeit preisgab? Ihre Freundschaft hatte ich in jedem Fall verloren. Denn auch wenn Martin mir weismachen wollte, ich wäre aus dem Schneider, ganz so einfach war das nicht.
In der Nacht schlief ich kaum. Ich wälzte mich ruhelos von einer Seite auf die andere. Martin hatte die Zügel an sich gerissen, obwohl ich hatte entscheiden wollen, ob die Polizei eingeschaltet würde oder nicht. Er würde sich nicht davon abbringen lassen, ganz egal, dass ich damit Annas Vertrauen missbrauchte. Martin hatte seinen Entschluss gefasst.
Schon am Nachmittag des nächsten Tages kam Herr Weber zusammen mit einem jungen Assistenten, und ich war gezwungen, die ganze Geschichte ein zweites Mal zu erzählen.
»Unglaublich«, sagte Herr Weber, als ich geendet hatte. Er werde sich sofort mit Frau Bender in Verbindung setzen.
Allerdings gelang ihm das ebenso wenig wie mir. Anna meldete sich weder am Telefon, noch öffnete sie die Haustür. Jetzt schien sie, anstelle der vormals unauffindbaren Katharina, wie vom Erdboden verschluckt. Bevor die Polizei das Haus gewaltsam öffnete, rief ich Timo an und bat ihn, die Tür aufzuschließen und nachzusehen, ob seine Mutter womöglich einen Unfall gehabt hatte und bewegungsunfähig irgendwo im Haus lag oder ob sie vielleicht sogar tot war. Dieser Gedanke war schrecklich, aber irgendwie auch tröstlich. Immerhin würde es dann keine Verhöre mehr geben, keine Verhandlung und keine Haft, und vor allem: Sie würde nicht erfahren, dass ich sie verraten hatte.
Timo wollte nicht ohne mich ins Haus, aber als wir eintraten und durch die Zimmer gingen, sah es so aus, als ob sich Anna ganz bewusst aus dem Staub gemacht hatte. Wir fanden weder Kleidung noch Kosmetik, alles war ordentlich aufgeräumt, ja selbst der Kühlschrank war leer.
»Wieso hat sie dir nichts gesagt? Warum hat sie nicht wenigstens mit dir gesprochen, wenn schon nicht mit einem von uns oder mit mir?«, fragte ich, aber Timo zuckte mit den Achseln.
»Ich weiß es auch nicht. Das ist alles so seltsam. Ich war am Neujahrstag zum letzten Mal bei ihr, da war sie noch ganz normal. Danach ging es im Sender hoch her, die Finanzkrise, die Griechenlandgeschichte, also ich arbeitete rund um die Uhr und hatte kaum noch Zeit. Ich habe mich ja auch bei euch nicht mehr gemeldet. Ich kann das nicht glauben. Jetzt ist sie wieder weg, gerade, als wir uns besser verstanden. Und diesmal hat sie nicht mal einen Brief geschrieben oder mir eine SMS aufs Handy geschickt.«
Plötzlich rief er: »Wahrscheinlich ist sie in Bayern. Das wird es sein!« Er zückte sein Handy, wählte die Garmischer Nummer, und als die Mailbox ansprang, sagte er: »Hallo, Anna, wir sind in Sorge um dich. Bitte melde dich so bald wie möglich.«
Doch ich ahnte, dass Anna nicht zurückrufen
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