Kreuzdame - Köln Krimi
ein hübsches Gesicht mit erschrocken aufgerissenen Augen.
»Kennen Sie diese Frau?«, fragte ich das junge Mädchen leise.
»Ja«, sagte sie. »Das ist Katharina, sie war einmal meine beste Freundin. Wir haben zusammen studiert. Doch Katharina … Sie war auf einmal verschwunden. Niemand hat sie jemals wiedergesehen, es war, als hätte sie der Erdboden verschluckt. Doch dann, eines Tages, habe ich sie getroffen, sie ist mit dem Mann auf dem Foto hier über die Straße geschlendert. Als ich sie begrüßen wollte, tat sie so, als wäre ich ihr vollkommen fremd. Ich habe ihr ein altes Bild von uns gezeigt, aber sie hat mich nur angeguckt und gefragt: ›Wann war das?‹ Das war richtig unheimlich, wissen Sie, als hätte sie Gedächtnisschwund gehabt oder so was. Jedenfalls hat der Mann gesagt, sie könnte mich gar nicht kennen, sie wäre zum ersten Mal in Berlin. Dabei war das doch eindeutig meine Freundin Katharina, mit der ich seit der Schulzeit hier in Berlin zusammen war! Und jetzt kommen Sie und haben dieses Foto. Woher kennen Sie Katharina? Und wissen Sie, wo sie jetzt ist?«
»Nein, das weiß ich nicht, ich suche sie selbst«, sagte ich ausweichend. Die ganze Geschichte um Anna und Katharina konnte ich ihr schlecht erzählen. »Wissen Sie, wo sie früher gewohnt hat?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Nutzt nix. Aus der Wohnung ist sie offenbar ausgezogen. Ich bin immer wieder dort gewesen, aber sie hat nicht aufgemacht, und eines Tages stand ein fremder Name am Klingelschild.«
Die Rs rollten über ihren Gaumen, so hatte auch Anna gesprochen, damals, als sie zu Katharina geworden war.
Ich bedankte mich und ging aus dem Spabereich, durchs Foyer, an der Rezeption vorbei, hinter der mich der Mann fragend ansah. Ich zuckte die Schultern, ging hinaus auf die Straße, nahm ein Taxi und fuhr zum »Interconti« an der Budapester Straße.
Immerhin wusste ich nun, dass Anna mich nicht angelogen hatte. Die Geschichte mit der Frau, die sie Unter den Linden angesprochen hatte, stimmte.
Beim Abendessen stellte mich Martin einigen Herren vor, und die nächsten Stunden verbrachte ich im Kreis illustrer Klinikleiter und ihrer Damen. Doch sowohl am Tisch als auch später an der Bar war ich mit meinen Gedanken bei Katharina und bei ihrer Freundin, die nicht glauben konnte, dass die Frau, die sie gesehen hatte, nicht die Katharina gewesen war, mit der sie zur Schule gegangen war und studiert hatte.
Die schlaflose Nacht mit hierhin und dorthin zerrenden Gedanken und Träumen war endlich vorüber. Nach einem ausgiebigen Frühstück und Martins Abgang zu den Seminarräumen blätterte ich durch die Berliner Zeitungen, gedankenlos, bis mir im lokalen Teil dieser Artikel ins Auge sprang: »Unsere Suchaktion hatte Erfolg. Marco Calucci, ein Kommilitone der vermissten Katharina Mazceck, hat sich gemeldet und wird sich mit dem Vater in Verbindung setzen.«
Ich las den Artikel zweimal. Marco Calucci und Katharina Mazceck. Sie hatten sich gekannt. Ich tippte die im Impressum der Zeitung gefundene Telefonnummer in mein Handy, meldete mich mit Britta Schmitz, dem Beruf Journalistin und dem dringenden Wunsch einer Verbindung zu jenem im Artikel genannten Marco Calucci – seinen Namen sprach ich sehr deutlich und sehr langsam aus –, und auf die jenseitige Frage nach dem Grund saugte ich mir rasch etwas aus den Fingern von einer kurzen dienstlichen Bekanntschaft und dem Wunsch, jenem Marco zu einer neuen Stelle zu verhelfen, die er dringend zu suchen mir anvertraut hätte. Nach zweimaligem Weiterschalten hatte ich Telefonnummer, Straße und Hausnummer.
Nach dem Auflegen war mein Herz auf der Überholspur, ich hatte feuchte Handflächen und wirre Gedanken in meinem Kopf, die sich nur langsam ordnen ließen. Dennoch wollte ich nichts überhasten, nichts falsch machen, wartete bis zum Mittag und ließ mich erst danach zu der Straße fahren, in der Marco Calucci wohnen sollte.
Doch ich war offenbar umsonst gekommen: Calucci stand auf keinem der Klingelschilder. Ich war drauf und dran aufzugeben. Aber ich wollte nichts unversucht lassen, und so klingelte ich im Parterre.
Die ungepflegte Alte, die mir die Tür öffnete, wusste gleich, wen ich meinte. Marco Calucci, das sei dieser junge Mann, der früher im Souterrain gewohnt habe und der nun zur Untermiete bei Frau Missang wohne, im zweiten Stock links. »Die Missang«, setzte sie hinzu, »die vermietet immer Zimmer, besonders gern an gut aussehende junge Burschen, wenn Sie
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